21 Jahre KJHG
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Zum Online-Shop„Nach 20-jähriger Reformdebatte und im dritten Anlauf soll am 11.05.1990 ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) mit der Verabschiedung im Bundesrat die letzte gesetzgeberische Hürde passieren und das aus dem Jahre 1922 stammende Jugendwohlfahrtsgesetz ablösen. Ob das neue Gesetz tatsächlich verabschiedet wird, ist zur Stunde noch unklar, da dem Vernehmen nach im Finanz- und Innenausschuß des Bundesrates erhebliche Widerstände gegen das Gesetzesvorhaben bestehen. Wenngleich eine Verabschiedung dringend erforderlich ist, damit die Jugendhilfe endlich eine einigermaßen zeitgemäße gesetzliche Grundlage erhält, sehen die Internationale Gesellschaft für Heimerziehung und mit ihr weite Teile der Fachwelt dem KJHG mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen“.
Die Presseerklärung der IGfH vom 10.05.1990 deutet die damalige Erleichterung und Ambivalenzen der Fachwelt gegenüber dem sogenannten Kinder- und Jugendhilfegesetz an. Das KJHG/SGB VIII trat in den neuen Bundesländern unmittelbar mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 03.10.1990 in Kraft und gilt in den alten Bundesländern seit dem 01.01.1991.
Das vorliegende Heft fragt im Jahr nach den Jubelfeiern zum 20-jährigen Bestehen des KJHG bewusst selektiv mit Bezügen zu zentralen Themen der IGfH nach damit verbundenen Hoffnungen, Kontinuitäten und Diskontinuitäten und den Erfolgen einer Steuerung durch das Kinder- und Jugendhilferecht.
Kaum tangiert wurden in den damaligen Stellungnahmen der Fachverbände 1990 zum Beispiel die Wirkungen der gesetzlich verankerten Hilfeplanung, der Jugendhilfeplanung oder der wenigen geschlechtsspezifischen Normierungen. Andere Verweise und damalige Erwartungen an die gesetzlichen Regelungen zur engeren Verzahnung von Ausbildung, Beschäftigung und Hilfen zur Erziehung werden nach Jahren des Abbaus langsam wieder entdeckt.
Die in Auszügen nochmals abgedruckte Stellungnahme der IGfH zum Regierungsentwurf eines Kinder- und Jugendhilfegesetzes vom 03.01.1990 dokumentiert 21 Jahre nach den parlamentarischen Beratungen über das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- undJugendhilfegesetz – KJHG) exemplarisch die damaligen Diskussionslinien. Josef Koch arbeitet im Anschluss kommentierend einige Kontinuitäten, aber auch „vergessene“ und unterschätzte Aspekte der gesetzlichen Neuregelungen heraus.
Reinhold Schone beschreibt in einer empirisch fundierten ‚Momentaufnahme’ das Arbeitsfeld Jugendhilfeplanung 20 Jahre nach der Einführung der Planungspflicht durch das SGB VIII. Dabei wird deutlich, dass sich die Jugendhilfeplanung einerseits als eigenständiges Aufgabenfeld etabliert hat, allerdings personell fast überall ungenügend ‚unterfüttert’ ist. Im Gespräch mit engagierten und erfahrenen Kolleginnen unterziehen Claudia Daigler und Monika Weber die Praxis einer geschlechtersensiblen Jugendhilfe einer kritischen Bilanz. Im Zentrum stehen dabei Reflexionen zu angestoßenen Praxisveränderungen durch den § 9 Nr. 3 KJHG sowie entsprechende Handlungsanforderungen im Kontext von aktuellen Lebenslagen. Der Beitrag von Joachim Merchel fokussiert die fachlichen Herausforderungen der Hilfeplanung als dauerhafte Entwicklungsanforderung in den Hilfen zur Erziehung. Dabei werden auch die ‚irritierenden Wirkungen’ anderer Verfahren wie Familiengruppenkonferenzen oder Sozialraumbudget auf die Praxen der Hilfeplanung in den Blick genommen. Friedhelm Peters zeichnet nach, wie sich mit der Einführung der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen nach 78a-g SGB VIII zunächst eine eher positiv konnotierte Qualitätsdebatte etabliert, in deren Verlauf jedoch zunehmend ein technologischer Erziehungsbegriff re-etabliert wird.Schließlich beschäftigen sich Tina Gadow, Christian Peucker, Liane Pluto und Mike Seckinger mit Entwicklungsschüben, die aufgrund der rechtlichen Verankerung der Beteiligungsrechte von Adressatinnen/Adressaten in der Praxis der erzieherischen Hilfen zu identifizieren sind. Am Beispiel der stationären Hilfen zeigen sie auf, dass momentan keineswegs ein "Mehr" an Partizipation zu beobachten ist und die Verwirklichung von Beteiligungsrechten aus unterschiedlichen Gründen eher noch in Frage gestellt wird.
Um das Kinder- und Jugendhilfegesetz wird auch weiter gestritten werden und es wird auch weiter Angriffe auf die bundesweiten Regelungen des KJHG geben, denn Rechtsansprüche sind eingebettet in eine gesellschaftliche Kultur. Wenn diese sich in nebulöse Schlagworte vom Fördern und Fordern verflüchtigt, sind auch Sozialleistungsgesetze bedroht. Eine Idee des Gegenentwurfs hat Albert Schweitzer formuliert, sie lautet: "Das Fundament des Rechts ist die Humanität."
Josef Koch
Aus dem Inhalt
Friedhelm Peters:
Warum wir mehr Gleichheit brauchen
Josef Koch ergänzt und kommentiert:
Stellungnahme der Internationalen Gesellschaft für Heimerziehung zum Regierungsentwurf eines Kinder- und Jugendhilfegesetzes vom 3.1.1990 IGfH
Reinhold Schone:
20 Jahre KJHG – und welche Rolle spielt Jugendhilfeplanung? Zum Stand der Planungspraxis in Deutschland
Claudia Daigler, Monika Weber:
Geschlechtergerechtigkeit als Aufgabe der Erziehungshilfe: Was hat der § 9 Nr. 3 SGB VIII bewirkt? Versuch einer Bilanz
Joachim Merchel:
Hilfeplanung § 36 SGB VIII: ein Erfolgsmodell, das eine Herausforderung bleibt
Friedhelm Peters:
Von der Qualitätsdebatte zur Wirkungssteuerung - die Feinjustierung administrativer Hegemonie
Tina Gadow, Christian Peucker, Liane Pluto, Mike Seckinger:
Recht auf Hilfe – Hilfe zum Recht. Partizipation in den Hilfen zur Erziehung
Thomas Drößler:
Nihao Shanghai - Eindrücke Sozialer Arbeit in einer chinesischen Metropole
Sabine Pankofer, Hanna Permien:
The long and winding road… Gelingendes Leben nach der Entlassung aus der geschlossenen Unterbringung?
Positionierung der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) zum Abschlussbericht des Runden Tisches Heimerziehung der 50er und 60er Jahre
Prioritätenliste zur Gegensteuerung in der Kosten- und Fallzahlentwicklung in der Jugendhilfe im Kreis Pinneberg
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