"Große Lösung"? Kinder- und Jugendhilfe und Eingliederungshilfe

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ForE 4-2010

Wenn von „großen Lösungen“ die Rede ist, sollte man immer vorsichtig sein, denn große Lösungen wurden und werden in der Sozialen Daseinsfürsorge – und speziell in der Kinder- und Jugendhilfe – immer wieder versprochen –und halten dann oft ihre Versprechungen in keiner Weise.

Wenn im vorliegenden Heft von „großer Lösung“ die Rede ist, dann meint dies die schon vor 1990 und der Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes diskutierte Zusammenführung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe. Was ist daran eine große Lösung?

Aktuell gilt bekanntlich, dass Unterstützungsleistungen für junge Menschen mit seelischen Behinderungen durch die Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Hilfen zur Erziehung erbracht werden (Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII – wegen der Nähe zu entwicklungsbedingtem „erzieherischenBedarf“) und Leistungen für junge Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (nach § 53a, § 54 SGB XII).

Das führt in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Unterscheidung nach Art der Behinderung, denn die Formen der seelischen und geistigen Behinderung oder von Mehrfachbehinderungen sind häufig schwer zu unterscheiden.

Die Beiträge des vorliegenden Heftes zeigen: Dies ist ein große Aufgabe, denn die dadurch entstehenden Herausforderungen beim Zuständigkeitswechsel bei Volljährigkeit (bzw. mit 21 Jahren) und ein hoher Klärungsbedarf in Bezug auf rechtliche Regelungen, Verlagerung von Finanzmitteln, Personalumsetzung und Qualifizierung dürfen nicht geleugnet werden. Wenn sich beispielsweise heilpädagogische und sozialpädagogische Ausbildungsgänge ebenso begegnen wie medizinisch-psychiatrisch-therapeutische Behandlungspläne und entsprechendes Wissen mit sozialpädagogischen und entwicklungspsychologischen Zugängen sich treffen soll, weil dahinter auch Professions- und Zugangshaltungen zum Hilfesuchenden stehen.

Norbert Struck, Claudia Porr und Josef Koch skizzieren eingangs die aktuellen Debatten um die „kleine und große Lösung“ zur Eingliederung der Leistungen für junge Menschen mit Behinderungen. Ergänzt wird diese Einordnung durch einen Einblick in die Debatten aus der Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Sie plädieren dafür, mit der engeren Kooperation sofort anzufangen, sich dann aber hinreichend Zeit zu lassen, damit sich alle an verbindlichen Vorgaben orientieren und vorbereiten können.

Norbert Müller-Fehling vom Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V  weist aus Sicht eines Elternverbandes darauf hin, dass Eltern behinderter Kinder auf eine Vielzahl von Leistungen angewiesen sind, damit ihre Kinder Entwicklungschancen haben und sie ihren Kindern die förderlichen Bedingungen schaffen können. Er sieht eine Chance zur Weiterentwicklung der Unterstützung behinderter Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien mit dem Rückenwind des aktuellen Kinder- und Jugendberichts und der UN-Konvention.

Das inklusive Konzept des 13. Kinder- und Jugendberichtes, der ein wichtiger Impulsgeber für die neue Debatte um ein Zusammenwirken von Kinder- und Jugendhilfe und Behindertenhilfe ist, stellt Christian Lüders anschließend in den Grundzügen vor.

Claudia Zinke erläutert die Fragestellungen näher, die sich aus der 2009 ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention ergeben und zeigt die Konkretisierungen für die Behindertenhilfe. Schließlich fragt Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag nochmals kritisch, in welcher Hand denn die Leistungen für alle behinderten Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Behinderungsart zusammengeführt werden sollten. Sie öffnet noch einmal die Diskussion und wirbt im Namen der kommunalen Spitzenverbände für die Zusammenführung in der Hand des Sozialhilfeträgers.

Die Beiträge des Heftes zeigen auf einer konzeptionellen Ebene: Noch stellen sich viele Fragen, aber Lösungen sind denkbar!

Norbert Struck, Claudia Porr, Josef Koch

 

Aus dem Inhalt

Norbert Struck:
Hilfeplanung braucht das Wunsch- und Wahlrecht und die Hilfen zur Erziehung brauchen die Hilfeplanung!

Josef Koch, Claudia Porr, Norbert Struck:
Zeit lassen…aber ganz schnell anfangen! – Zur aktuellen Debatte um die „Große Lösung“

Norbert Müller-Fehling:
Eine neue Kinder- und Jugendhilfe für alle – Die „Große Lösung“ aus Sicht einer Selbsthilfeorganisation von Eltern behinderter Kinder

Christian Lüders:
Der 13. Kinder- und Jugendbericht und die „Große Lösung“

Claudia Zinke:
Die UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Bedeutung für eine Inklusionsperspektive junger Menschen

Irene Vorholz:
„Große Lösung“? – Zur Diskussion in den kommunalen Spitzenverbänden

Kitty Jurrius, Leo Rutjes:
Klientenpartizipation in der niederländischen Jugendhilfe

Anke Petrat, Eric van Santen:
Welche Faktoren beeinflussen die Entstehung von Hilfekarrieren? Eine Übersicht internationaler empirischer Befunde

Barbara Bräutigam, Matthias Müller:
„Der akzeptierte Fremdkörper“ – Reflexionen zu Aufsuchenden Hilfen

Hannelore Häbel:
Kinderschutz und symbolische Gesetzgebung

Erscheinungsjahr
2010
Ausgabe
4
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2010