Integrierte Erziehungshilfen

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Im Themenschwerpunkt dieses Heftes werden einige der Beiträge des IGfH Expertlnnengesprächs ,,Jugendhilfeeinheiten - Jugendhilfestationen - Regionale Jugendhilfezentren. Zur Leistungsfähigkeit integrierter Erziehungshilfen" vorn Oktober I 995 in Frankfurt/Main veröffentlicht. Ziel der Frankfurter Veranstaltung war es,
nach nunmehr rund dreijähriger Erfahrung mit den ja vor allem bekannt gewordenen ,,Jugendhilfestationen" in Mecklenburg-Vorpommern und den „Jugendhilfeeinheiten" des VSE Celle und des VSP Dresden eine erste Bilanz hinsichtlich der Leistungsfähigkeit dieser strikt nachfrageorientierten Hilfeformen zu ziehen. (Am Rande sei erwähnt, daß es an manchen Orten schon viel länger ähnlich strukturierte Hilfen gibt: z. B. die zwischen stadtteilorientierter Jugend( rnedien)arbeit, heilpädagogischem Hort und sozialer Gruppenarbeit angesiedelte Arbeit des Freiburger Jugendhilfswerkes oder die „Mathilde" in Tübingen, ein (Tages-),,Heirn um die Ecke" der Martin-Bonhoeffer-Häuser.)

Was im Laufe des Expertlnnengesprächs aber auch deutlich wurde, ist die Problematik der Bezeichnung dieser Hilfen als „flexibel organisierte Hilfen zur Erziehung". Der Begriff verweist vorrangig auf notwendige Voraussetzungen organisatorischer Art, wenn Hilfen nicht „versäult" und nachfrageorientiert geleistet werden sollen. Ob das aber bereits Hilfeangebote für Betroffene hilfreicher macht? Nun könnte vielleicht eingewandt werden, daß es letztlich egal sei, wie „das Kind heiße". Demgegenüber glaube ich an die Symbolkraft von Begriffen (auch der ökonornistische Neusprech von „Produkt" bis „Kunde" hat bereits fachliche Sichtweisen - zum Teil hinter dem Rücken der Akteure - verändert) und da werde ich beim Begriff „Flexibilität" sehr skeptisch. Johannes Lapp brachte es im Rahmen des IGfH-Expertlnnengesprächs auf den Punkt: ,,Flexibel bedeutet auch, biegbar zu sein".


Ich möchte stattdessen vorschlagen, daß wir - jenseits der vorhandenen legitimen Eigenbenennungen (,,JH-Stationen", ,,JH-Einheiten", ,,Regionale JH-Zentren" etc.) - gleichsam als Oberbegriff von integrierten Erziehungshilfen sprechen.

,,Integriert" bedeutet, daß etwas zusammengehört bzw. daß etwas zusammengefügt wurde. ,,Integrierte Erziehungshilfen" kann also begrifflich fassen: Einbeziehung sämtlicher junger Menschen (also gegen Ausgrenzung gerichtet), Einbeziehung aller Hilfen zur Erziehung (§§ 27-35 KJHG) und Einbeziehung des sozialen Umfeldes. ,,Integrierte Erziehungshilfen" können darüber hinaus den Bezug zu den Regelangeboten der Jugendhilfe herstellen und weisen eine durchaus gewünschte begriffliche Nähe zum Gedanken der „Integration" in der Behindertenhilfe auf.

Doch nun zu den Einzelbeiträgen: Lies Gropper beschreibt die wohltuend pragmatisch verlaufende Transformation einer traditionellen, vormals entsprechend der verschiedenen Hilfemaßnahmen differenzierten Jugendhilfeeinrichtung in regionale Jugendhilfezentren.

Birgit Harnar und Martina Schliebner schildern am Beispiel einer Jugendhilfestation, wie die Versorgung eines Stadtteils mit den verschiedenen Erziehungshilfen „aus einer Hand" vonstatten geht.

Sigrid Möser benennt Einstellungen und Kompetenzen, die Mitarbeiterinnen in integrierten Hilfen mitbringen müssen. Den Dresdener Erfahrungen zufolge geht es wohl weniger um die Rekrutierung von Super-Generalistlnnen, wichtig ist vielmehr die Bereitschaft zur kollegialen Beratung und Kontrolle sowie zur gemeinsamen Weiterentwicklung.

Michael Winkler stellt kritische Fragen an „flexible Systeme": vor allem, ob sie strukturell - nämlich mit einer flexiblen Organisation - zu erreichen versuchen, was in jeder (guten) sozialpädagogischen Hilfe vorrangig personal gelöst werden muß, nämlich biographischen Wandlungen flexibel „nachzugehen".

Wolfgang Trede