Verhältnisse sexualisierter Gewalt
Sie können diese Ausgabe im Online-Shop unseres Partners beziehen.
Zum Online-ShopGewaltverhältnisse sind in vielfacher Hinsicht Bestandteile der Sozialen Arbeit und damit auch der Hilfen zur Erziehung. Die Heftausgabe betrachtet und analysiert Gewaltverhältnisse mit dem Fokus auf sexualisierte Gewalt. Gewaltverhältnisse verstehen wir dabei als ein Ineinandergreifen von struktureller Gewalt und Gewalt, die (zunehmend auch digital) zwischen Menschen stattfindet und damit Individuen (be)trifft. Hilfen zur Erziehung müssen sich mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzen: mit strukturellen Bedingungen von Hilfen zur Erziehung, mit Übergriffen und Machtausübung von Fachkräften gegenüber jungen Menschen, mit Beziehungsverhältnissen, in denen sexualisierte Gewalt ausgeübt wird, mit Ausformungen sexualisierter Gewalt zwischen jungen Menschen, mit Erfahrungen von sexualisierter Gewalt, die junge Menschen als „Gepäck“, also als biografische Erfahrungen mit in die Hilfen zur Erziehung bringen.
Vor zehn Jahren (Ausgabe 2/2013) haben wir die letzte ForE-Ausgabe herausgegeben, die sich explizit mit dem Themenschwerpunkt „Sexualisierte Gewalt“ und Handlungsansätzen in den Hilfen zur Erziehung beschäftigte. Gefragt wurde damals, wie Heimerziehung als Ort des Schutzes bzw. sicherer Ort ausgestaltet werden muss und wie Lebensorte in der öffentlichen Erziehung als sichere Alternative zur Familie gestaltet werden können. Diese Fragen haben nichts an Aktualität verloren. Ein Bezugspunkt für die aktuelle Heftausgabe sind die Debatten und Aufarbeitungsanstrengungen von sexualisierter Gewalt in Institutionen/Organisationen (Kirchen, Sport, Schulen/Internaten…) und die Forderung der Umsetzung von Schutzkonzepten. Ein anderer Bezugspunkt ist die sexualisierte Gewalt mittels digitaler Medien (z.B. Nacktfotos, digital organisierte Täter*innen-Netzwerke, Plattformen, auf denen Missbrauchsabbildungen getauscht werden), insbesondere unter Jugendlichen.
Digitale Beziehungsgestaltung und Kommunikation ist wesentlicher Bestandteil des Alltags junger Menschen. Medienforscher*innen gehen davon aus, dass hinsichtlich der Lebensrealitäten und Erfahrungen junger Menschen eine Unterscheidung zwischen digitalen und nicht digitalen Räumen nicht mehr gezogen werden kann. In einer Untersuchung der BZgA gibt die Hälfte der befragten Mädchen* an, in den sozialen Medien häufiger Gewalt erlebt zu haben als im analogen Leben (BZgA 2021). Durch öffentliche Diskussionen über Cybergrooming (sexuelle Ausbeutung mittels digitaler Medien) entsteht die Vorstellung, mediatisierte sexualisierte Gewalt werde durch „Fremdtäter*innen“ ausgeübt. Jedoch werden digitale Medien auch im sozialen Nahraum (z. B. Familienmitglieder, Mitarbeitende pädagogischer Einrichtungen) täter*innenstrategisch genutzt.
Die Grundlage für den Schwerpunk legen Julia Gebrande und Silke Birgitta Gahleitner. Als Mitglieder der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs fokussieren sie auf die Notwendigkeit und die Erfahrungen der Aufarbeitungsarbeit. Monika Weber beleuchtet Fragen, die die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt speziell für die Sozialen Dienste und die HzE aufwerfen. Thematisiert werden der Auftrag und die Bedeutung der HzE für Schutz und Hilfe bei sexualisierter Gewalt, vor dem Hintergrund von Konstruktionen von Sexualität und Geschlecht, die im pädagogischen Feld wirken, während aktuell Kinder und Jugendliche als (Rechts-)Subjekte gestärkt werden (sollen).
Anhand einer aktuellen bundesweiten Befragung zeigen Sehresh Tariq und Tanja Rusack Entwicklungen von Schutzkonzepten in Jugendämtern auf. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtete sich Deutschland zum umfassenden Schutz von Mädchen* und Frauen* vor geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung. Nerea González Méndez de Vigo stellt Historie, Ziele und Anwendungsbereiche dieses internationalen (Menschen-)Rechtsinstruments vor und fasst die sich daraus auch für die Kinder- und Jugendhilfe ergebenden Handlungsschritte zur Umsetzung zusammen. Schließlich beschäftigen sich Jutta Helms und Julia Hahndorf aus der Perspektive einer Fachberatungsstelle mit von jungen Menschen ausgeübter sexualisierter Gewalt mittels digitaler Medien und entwickeln Handlungsoptionen und Präventionsansätze.
Claudia Daigler, Lydia Tomaschowski
Aus dem Inhalt:
Jutta Gebrande, Silke-Birgitta Gahleitner: Sexualisierte Gewalt aufarbeiten? Betrachtung von Gewaltverhältnissen
Monika Weber: Sexualisierte Gewaltverhältnisse – Bedeutung und Implikationen für die Hilfen zur Erziehung und die Sozialen Dienste
Sheresh Tariq, Tanja Rusack: Verfahren zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in Jugendämtern
Nerea González Méndez de Vigo: Die Istanbul-Konvention als Rechtsinstrument zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt
Janna Helms, Julia Hahndorf: Sexualisierte Übergriffe durch Jugendliche im digitalen Raum
Holger Wendelin: Urlaub unter Erlaubnisvorbehalt? Konsultation des Gastlandes bei Auslandsreisen im Rahmen von HzE?! Ein Schildbürgerstreich
Reinhold Schone, Peter Hansbauer, Christian Spatscheck, Sabine Wagenblass: PortNord – Extensive Arbeit mit herausfordernden Kindern. Alternative Überlegungen und Vorschläge zum Zusammenwirken von Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg
Michael Lindenberg, Tilman Lutz: Alternative Überlegungen und Vorschläge zum Zusammenwirken von Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg
Norbert Struck: Kostenheranziehung nach ihrer Abschaffung