Internationaler Kinderschutz
Kurzbeschreibung des Projektes
Das Zusammenwachsen der EU, Arbeitsaufenthalte im Ausland, aber auch durch Flucht erzwungene Migration machen es zunehmend zur Normalität, dass Menschen sich zeitweise oder auf Dauer in einem anderen Land aufhalten und dort auch familiäre Bindungen eingehen. Diese Entwicklungen beschäftigen zunehmend auch die Praxis der Jugendhilfe. Einige Beispiele: Eine deutsche Mutter kehrt nach der Trennung von ihrem Mann mit den Kindern aus Griechenland nach Deutschland zurück. Der Vater beantragt in Griechenland die Rückkehr der Kinder. Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus dem Kosovo wurde in Obhut genommen. Es melden sich Verwandte, die in Italien leben, und wollen das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen. Pflegeeltern wollen aus beruflichen Gründen nach England umziehen. Das Pflegekind soll weiter in der Familie aufwachsen.
In solchen familiären Konstellationen sind effektive Hilfen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nur möglich, wenn diese in Abstimmung der Fachstellen in beiden beteiligten Ländern erfolgen. Die Verfahren zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sind im Grundsatz jedoch an nationale Grenzen gebunden und reichen nicht über diese hinaus. Mit der zunehmenden Migration der Menschen sind vermehrt Wege und Strukturen der Zusammenarbeit notwendig, die einen Schutz von Kindern über Ländergrenzen hinweg ermöglichen. Hierzu wurden verschiedene internationale Rechtsgrundlagen erarbeitet, die sich zur Verbesserung der Zusammenarbeit zentraler Behörden im jeweiligen Land bedienen; so u.a. das Haager Kindesentführungsübereinkommen von 1980 und das Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996.
Gesetzliche Neuregelung 2005
Das Projekt wurde auch vor dem Hintergrund einer gesetzlichen Neuregelung durchgeführt. 2005 trat das Gesetz zum internationalen Familienrecht (IntFamRVG) in Kraft. Es regelt die Umsetzung der EU-Verordnung über die „Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung“ (Brüssel II a) in Deutschland. Diese Neuregelungen erweiterten den Bereich der internationalen Zusammenarbeit über zentrale Behörden. In der Praxis der Jugendhilfe sind sie von Bedeutung, sobald Fachkräfte mit familiären Problemkonstellationen befasst sind, die ein internationales Element enthalten. Dies können Beteiligte mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten, in verschiedenen Ländern lebende Familienangehörige oder z.B. eine über Ländergrenzen hinweg zu organisierende Unterbringung eines Kindes sein, für die die Verordnung Brüssel II a ein durchstrukturiertes „Konsultationsverfahren“ mit Beteiligung der Landesjugendämter vorsieht.
Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Justiz
Effektiver Schutz von Kindern und Jugendlichen basiert immer auf einer interdisziplinären Kooperation von Jugendhilfe und Justiz. Die Regelungen und Verfahren im internationalen Bereich wurden bisher jedoch vorwiegend aus der Perspektive des Rechts entwickelt, reichen aber in die Jugendhilfe hinein. Auch die im Zuge der Umsetzung der EU-Verordnung und des Haager Kinderschutzübereinkommens eingerichtete Zentrale Behörde ist im Justizbereich angesiedelt (Bundesamt für Justiz). Mit der sich etablierenden Zusammen-arbeit entsteht ein neuer Kooperationspartner im „Geflecht“ der Fachstellen und Gerichte.
Informationsbedarf
In der Jugendhilfe besteht mit dem Inkrafttreten der Neuregelungen ein Bedarf an praxisnah aufbereiteten Informationen, sowohl im Hinblick auf den Inhalt und deren Bedeutung für die Praxis sowie auch hinsichtlich des Ineinandergreifens der verschiedenen internationalen Vorschriften. Die Materie ist sehr komplex und für die Anwender kaum zu überschauen, denn die Regelungsbereiche (z.B. Kindesentführung, Durchsetzung von Umgangsentscheidungen, Unterbringung) und der Geltungsbereich für verschiedene Länder (z.B. EU-Länder, Vertragsstaatender Haager Abkommen) unterscheiden sich. Informationsbedarf besteht auch für die Beratung von Eltern zu den Möglichkeiten, die sich aus der EU-Verordnung ergeben (z.B. unmittelbare „Vollstreckbarkeit“ von Gerichtsbeschlüssen in anderen EU-Staaten). Hier ist die Jugendhilfe vor Ort erster Ansprechpartner und somit Multiplikator dieser Informationen.
Projektstruktur und Ziele
Es gibt bisher keine Praxisforschung im Bereich des internationalen Kinderschutzes. Vor diesem Hintergrund wurden mit dem Projekt vor allem zwei Ziele verfolgt:
- Untersuchung der bereits stattfindenden grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Jugendhilfe und Ermittlung von Faktoren, die eine effektive Kooperation der Beteiligten ermöglichen. Berücksichtigt wurde auch die sich neu etablierende Zusammenarbeit mit der Zentralen Behörde.
- Erstellung einer Arbeitshilfe, die die komplexe und juristisch geprägte Materie sowie die einschlägigen Regelungen praxisnah und aus der Sicht der Jugendhilfe aufbereitet.
Über folgende Forschungsmethoden wurden die Projektziele erarbeitet:
- Analyse der relevanten Gesetzestexte
- Literaturauswertung
- Expertenbefragungen
- Telefoninterviews mit Fachkräften der Jugendhilfe
- Aktengestützte Einzelfallrekonstruktionen und leitfadengestützte Interviews mit den jeweiligen fallbeteiligten Institutionen / Fachkräften
Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts wurde vom Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz e.V. ( ism ) durchgeführt. Zur Begleitung des Untersuchungsverlaufs und zur Rückkopplung der Ergebnisse wurde ein interdisziplinär besetzter Beirat eingerichtet.
Förderung: Das Projekt wurde aus Mitteln der Stiftung Deutsche Jugendmarke gefördert.
Das Projekt wurde in Kooperation mit anderen Fachorganisationen (z.B. dem Internationalen Sozialdienst im Deutschen Verein für Öffentliche und Private Fürsorge e.V.) durchgeführt.