40 Jahre IGfH
„Der Verein wurde am 25.06.1961 gegründet“ - so steht es in § 12 der Satzung der IGfH . Auch wenn der Zeitpunkt der Gründung, dies ergibt der Abriss der IGfH -Geschichte im einleitenden Beitrag von Wolfgang Trede, trotz dieser vermeintlich präzisen Datierung nicht ganz klar ist - ab 1956 gab es bereits ein „Initiativkomitee“, die erste ordentliche Mitgliedervesammlung mit Vorstandswahlen fand jedoch erst im April 1962 statt -, wird in diesem Jahr das runde Vereinsjubiläum begangen. Die Redaktion von „Forum Erziehungshilfen“ hat das Vierzigjährige zum Anlass genommen, einen Themenschwerpunkt der IGfH selbst zu widmen. Vor zu viel Selbstbeweihräucherung haben wir uns geschützt, indem wir außer dem schon erwähnten Überblicksbeitrag, vier Artikel eingeworben haben, die sich mit fachlichen Debatten der vergangenen Jahrzehnte befassen, die wir als zentrale für die IGfH wie für die Jugendhilfe insgesamt eingeschätzt haben:
Vera Birtsch zeichnet die Debatte um die geschlossene Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe seit den siebziger Jahren nach. Die „GU“ schien nach Inkrafttreten des liberalen KJHG, den einschlägig negativen Forschungsbefunden und ihrer breiten fachlichen Ablehnung als Maßnahme der Jugendhilfe Mitte der 90er Jahre ein Auslaufmodell geworden zu sein, aber in den letzten drei Jahren tauchte sie - wie das Teufelchen im Kasperletheater - mit neuem Elan und neuen Begründungsmustern (siehe die neueste Publikation von Fegert/Späth/Salgo) wieder auf. In ihrem Beitrag bekräftigt Vera Birtsch nachdrücklich die Position der IGfH, auf geschlossene Unterbringung zu verzichten, bei schwierigen Einzelfällen seien jedoch die Handlungsmöglichkeiten der Jugendhilfe zu erweitern.
Seit ihren Anfängen war die FICE /IGfH bestrebt, Heimerziehung im Interesse von Kindern und Jugendlichen, Mädchen und Jungen, zu qualifizieren. Wie verlief die Debatte um Kinderrechte und Partizipation und warum werden Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Jugendhilfe so zögerlich realisiert? Hiermit beschäftigt sich der Beitrag von Ullrich Gintzel.
Spät hat die IGfH die geschlechtsspezifische Arbeit „entdeckt“. Dafür engagiert sich seit Ende der 1980er Jahre die Fachgruppe „Mädchen und Frauen“ umso mehr für eine Sensibilisierung für und Qualifizierung der Mädchenarbeit - eine Aktivität, die durch die in Deutschland eher skurril geführte Gender Mainstream-Debatte (vgl. die aktuellen Arbeiten des spi Berlin) nicht überflüssig wird. Luise Hartwig gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungslinien der Gender-Debatte und stellt abschließend Bausteine einer geschlechtergerechten Jugendhilfe vor.
Friedhelm Peters berichtet über die konzeptionelle Debatte um Lebensweltorientierung, ihre theoretische Fundierung und die Bemühungen der IGfH um eine Konkretisierung des Konzepts.
Zum Abschluss dürfen sich die LeserInnen an einer vergnüglichen Social (Horror?) Fiction unseres Berliner Korrespondenten Hans-Ullrich Krause erfreuen.
Mein Eindruck nach der Beschäftigung mit der Verbandsgeschichte: Die IGfH hat ihre Aufgabe, als engagierter Fachverband eine Art Transmissionsriemen zwischen Wissenschaft und Praxis darzustellen, der praktische Erfahrungen und Konzepte theoretisiert wie umgekehrt wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis trägt, sehr gut erfüllt. Eine immer wieder neue Herausforderung wird es indes sein, auch als Verband mit breiterem, potenziell auf alle Erziehungshilfen zielenden Profil weiterhin für möglichst viele KollegInnen der Heimathafen zu bleiben. Was mir auch auffiel: Der IGfH sind die friedenspolitischen, internationalistischen Anliegen ihrer Gründungsväter fast ganz verloren gegangen - angesichts der verbreiteten Europaskepsis und interkulturellen Verklemmtheit im Lande lägen gerade hier wichtige zukünftige Herausforderungen einer internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen.
Wolfgang Trede