Erfolgsgeschichte SPFH?
Für die Soziale Arbeit ist Entwicklung der Sozialpädagogischen Familienhilfe zweifelsfrei eine Erfolgsgeschichte. Kaum ein Tätigkeitsfeld hat sich innerhalb weniger Jahre so fest etabliert und kaum ein Bereich der Hilfen zur Erziehung sich auch quantitativ so ausgeweitet. Anfänglich wurde diese Etablierung vor allem durch die – beispielsweise vom damaligen Kasseler Jugendamtsleiter Hartmut Schulz massiv propagierte– Verheißung forciert, durch SPFH ließen sich Kosten für Heimerziehung sparen, Familienhilfe sei nicht nur sozialpädagogisch sinnvoll, sondern helfe auch Kosten sparen. Fachlich wurde mit der Abkehr von der Eingriffsorientierung der Erziehungshilfe SPFH geradezu zum Synonym für lebensweltorientierte und präventive Hilfe. Manchen gilt sie heute als das Mittel der Jugendhilfe, das Kinderschutz sichern und die Wurzeln der Probleme bearbeiten kann.
Kritische Stimmen gegenüber der SPFH sind in den letzten Jahren leiser geworden oder verstummt. Waren anfangs noch die Problemkonstellationen eingegrenzt, für die SPFH die angemessene Hilfe sein könnte, so genannte „Multiproblemfamilien“ eher als Ausnahme deklariert und wurde das Verhältnis von Kontrolle und Hilfe als hochsensibel angesehen(„Kolonialisierung von Lebenswelten“) und der Vertrauensschutz für die Familie von sehr hoher Bedeutung, so ist heute Sozialpädagogische Familienhilfe in der Realität des Kinderschutzes angekommen. Schutzplanung und Kontrolle sind in die Konzepte integriert, gleichzeitig wurden – bei gestiegenen Fallzahlen – die Ressourcen für den Einzelfall und damit die Intensität der Hilfe reduziert. Ist die Sozialpädagogische Familienhilfe aber auch aus der Sicht der AdressatInnen eine Erfolgsgeschichte, sind diese Nutznießer der rasanten Entwicklung und, falls das so ist, unter welchen Voraussetzungen? Wie erleben AdressatInnen SPFH und was kann diese Hilfeform insbesondere für die Kinder in belasteten Familien leisten? Diesen – und anderen – Fragenwird im Thementeil dieses Heftes nachgegangen.
Als erster Zugang zur Thematik werden im Beitrag von Jens Pothmann, Dortmunder Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendhilfestatistik, die quantitativen Daten zur Entwicklung der Fallzahlen und die Gründe für die Inanspruchnahme der Hilfe dargestellt. Klaus Wolf fragt in seinem Beitrag nach der Fachlichkeit in der Sozialpädagogischen Familienhilfe und was wir darüber wissen. Er schlägt gleichsam Pflöcke ein, mit denen man zwischen rein situativem Handeln und vorher festgelegtem Plan navigieren kann, indem er die Eigenart der Aufgabenstellung aus vier Perspektiven betrachtet. Daraus resultierend, stellt sich die SozialpädagogIn in der SPFH weder als HandwerkerIn noch als KünstlerIn dar, sondern als Fachkraft, die mit Respekt vor dem Eigensinn der Familie Fachkompetenz und methodisches Wissen nutzt.
Unter einer speziellen Perspektive wird vor diesem Hintergrund SPFH im Beitrag von Anja Frindt beleuchtet. Es geht bei der von ihr beschriebenen Resilienzförderung nicht nur um Schutzfaktoren innerhalb der Familie, die gestärkt werden sollen, sondern vor allem auch um die Nutzung von Ressourcen außerhalb der Familie, die Kinder unterstützen und in ihren Grundbedürfnissen wahrnehmen und damit in ihrer Entwicklung fördern können– und zwar ohne dass eine kurzfristige Veränderung in der Familie Voraussetzung dafür ist.
Die Perspektive eines Verantwortlichen vom freien Träger steht im Beitrag von Johannes Röttgen im Mittelpunkt. Was bedeutet die große methodische Offenheit dieser Hilfeform, die notwendige Flexibilität in der Gestaltung und in den Aufträgen für die Steuerung beim Träger oder für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und freiem Träger? Tina Böcker schildert anschließend in ihrem Beitrag ein Beispiel für theoriegestütztes methodisches Handeln in der Familienhilfe. Am Beispiel der Arbeit mit einer Familie verdeutlicht sie den Nutzen der Kommunikationstheorie.
Hofer und Lienhardt greifen abschließend anhand eines Fallbeispiels nocheinmal die von Klaus Wolf aufgeworfenen Fragen auf. Wie haben die AdressatInnen die Hilfe erlebt, was war belastend und was hilfreich? Die Interviewausschnitte aus Gesprächen mit AdressatInnen der Familienhilfe ergänzen die Darstellung der Perspektive der Betroffenen.
Werner Freigang, Klaus Wolf
Aus dem Inhalt
Friedhelm Peters:
Wie man mit symbolischer Politik falsche Zeichen setzt
Jens Pothmann:
Sozialpädagogische Familienhilfe im Zahlenspiegel
Klaus Wolf:
Radikaler Situationsansatz oder planvolles Vorgehen? Zum methodischen Handeln in der SPFH
Anja Frindt:
Resilienzförderung in der Praxis der SPFH
Johannes Röttgen:
Worüber denken wir vor Ort in der SPFH nach?
Tina Böcker:
Mehr als ein Mutter-Tochter-Zoff… – Kommunikationstheorie in der praktischen Anwendung
Bettina Hofer, Christina Lienhart:
„Da nützt der beste Professor und Doktor nichts, wenn man kein Vertrauen hat“ Unterstützendes und Belastendes in der ambulanten Familienarbeit aus KlientInnenperspektive
Wei Zhan:
Soziale Arbeit in China – Einführung in die Rahmenbedingungen, die Struktur und den Stand
Elisabeth Schmutz:
Kinder psychisch kranker Eltern. Prävention und Kooperation von Jugendhilfe und Erwachsenenpsychiatrie -Ergebnisse eines Landesmodellprojektes in Rheinland-Pfalz
Kerstin Feldhoff:
Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
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