Heimerziehung und Schule

ForE_4_1997

Es ist ein Dauerthema der Jugendhilfe, dazuhin eines gepaart mit Dauerverletzungen und -Verletzlichkeit: das alltägliche Verhältnis von Heim und Regelschule. Es ist nach wie vor und ohne daß eine Änderung in Sicht wäre ein schwieriges Verhältnis. Jenseits von singulären Kooperationsprojekten - z.B. der brandenburgischen "Schule des Lebens", jenseits von (den wenigen) sozialpädagogisch inspirierten Regelschulen und jenseits von familiennahen Kleinstheimen und Außenwohngruppen, die wohl strukturell ("Familie" und Schule - das ist zwar schwierig genug, aber eingespielt) die geringsten Probleme mit Schule haben, herrscht weithin Unverständnis, Mißtrauen und Resignation. Für Lehrerinnen ist die Heimerziehung immer noch die Anstalt, das Jugendamt immer noch eine Art Kinderklaubehörde. Weswegen sich viele Lehrerinnen bei Problemen auch erst an alle möglichen anderen Instanzen als an das Jugendamt wenden, und sich bereits als "pädagogisch besonders engagiert" verstehen dürfen, wenn sie sich überhaupt auf die "Heimkinder" einlassen. Seitens der Gruppenerzieherinnen und sonstigen Fachkräfte im Heim wird die Schule umgekehrt als einer der HauptProblemverursacher gesehen, die mit ihren unangemessenen formalen und einseitigen Leistungserwartungen Jugendhilfekarrieren häufig erst verursache.

Ein Bericht der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden vom Juni 1996 (vgl.ForE 1/97, S. 31 und den Beitrag ab Seite 175), der einen Überblick über die erstaunlich vielfältige Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule in den 16 Bundesländern gibt, darin aber auch aufzeigt, wie wenig sich bisher zwischen Heim
und Schule tut, könnte (und sollte) die Diskussion beleben. Diesem Ziel dient das vorliegende Heft, indem es zunächst die Probleme des alltäglichen Umgangs zwischen Heim und Schule, zwischen Heimerzieherinnen und Lehrerinnen aufzeigt sowie strukturelle Unterschiede herausarbeitet, um die Verständnisprobleme zwischen beiden Systemen zu klären. Es werden dann aber auch eine Reihe praktischer Vorschläge gemacht, wie eine verbesserte Zusammenarbeit und deren Voraussetzungen aussehen könnten. Die Zeit, zu einer neuen Qualität von Kooperation zu kommen, ist m.E. günstig, denn wie kaum zuvor öffnen sich Schulen, hin zur Ganztagsschule, hin zum Gemeinwesen, und damit hin zu einem Selbstverständnis von Schule als Lebens- nicht nur als Lern-Raum.
Zu den Beiträgen:
Obwohl in Gesprächen unter Sozialarbeiterinnen beim Thema "Heim und Schule" fast ausschließlich Negatives berichtet wird, hat die Redaktion niemanden gefunden, der diese solch' negativen Erfahrungen zu Papier bringen wollte. Daher hat Burglinde Retza Berichte von Heimerzieherinnen auf Fortbildungsveranstaltungen zu einer Geschichte über die alltäglichen Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Heim und Schule verarbeitet.
Erika Carstensen-Bretheuer analysiert die Verständigungsproblerne zwischen den Systemen Jugendhilfe und Schule und gibt Hinweise, unter welchen Voraussetzungen und wie Kooperation möglich sein kann. Magdalene van Gellekorn (aus Sicht des Heimes) und Wolfgang Jasper (aus Sicht einer Schule) berichten über die Kooperation zwischen der Evangelischen Jugendhilfe Ummeln/NRW und der Gesamtschule am Ort. Burglinde Retza faßt den Länderbericht der AG der Obersten Landesjugendbehörden vom Juni 1996 zusammen.
Werner Freigang hat Hilfepläne in Mecklenburg- Vorpommern daraufhin analysiert, wie das Thema "Schule" darin behandelt wird. Sein Fazit: Nicht übergroße Distanz, sondern eher (unkritische) Nähe trübt das Verhältnis zwischen Heim und Schule in den neuen Bundesländern.
Wolfgang Trede

Seiten
64
Erscheinungsjahr
1997
Ausgabe
4
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
1997