Junge Volljährige

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ForE 1-2013

Endlich 18! – Für viele Jugendliche ist Volljährigkeit ein ersehnter Zeitpunkt, den sie mit neuen Freiheiten, Rechten und dem Gefühl einer größeren Unabhängigkeit verbinden. Auch in den erzieherischen Hilfen ist der 18. Geburtstag eine relevante Bezugsgröße – in juristischer, verwaltungstechnischer und entwicklungsbezogener Sicht. Ist das Erreichen des neunzehnten Lebensjahres also für junge Menschen häufig ein besonderer Grund zum Feiern, ist dies gleichsam ein Datum, mit dem der (weitere) Bezug von Hilfen zur Erziehung in der gängigen Gewährungspraxis besonders begründet werden muss.
 

Obwohl die Jugend- bzw. Übergangsforschung das junge Erwachsenenalter als zentrale und sensible Schlüssel- und Übergangsphase ansieht und zudem verlängerte und reversible Übergange analysiert, und obwohl das SGB VIII den jungen Volljährigen seit 1995 einen eigenen Rechtsanspruch einräumt (§ 41 SGB VIII), werden sie in der Gewährleistungspraxis häufig nicht mehr als potenzielle KlientInnen der Jugendhilfe angesehen. Im Zuge der Fokussierung auf frühe Hilfen und Kinderschutz, also auf Unterstützung in der Kindheitsphase, taucht die Frage auf, inwieweit volljährige junge Frauen und Männer in der Jugendhilfe mehr denn je auf dem Abstellgleis bzw. im Abseits stehen (vgl. SOS Kinderdorf (Hg.) 2011; Pothmann 2011). 

Diese Heftausgabe möchte die Aufmerksamkeit auf die Lebenssituation junger Erwachsener richten und dabei insbesondere erschwerte Bedingungen der Verselbständigung und der gesellschaftlichen Teilhabe in den Blick nehmen.

Ausgangspunkt sind die vielfältigen, ggf. veränderten Anforderungen ans Erwachsenwerden, die an junge Frauen und Männer heute gestellt werden und Fragen danach, wie junge Menschen die Anforderungen bewältigen und was sich daraus wiederum an Anforderungen für die Unterstützungssysteme und deren Konzepte ergibt (hierzu der Beitrag von Barbara Stauber).  

Den von Barbara Stauber entwickelten Faden der Ableitung nimmt Dirk Nüsken in der Weise auf, dass er die rechtlichen Grundlegungen und Begründungen für Hilfen zur Erziehung für Volljährige erläutert, Gewährleistungspraxen vor Ort beschreibt, aktuelle Daten liefert und daraus Tendenzen für weitere Überlegungen skizziert.

Mit der Frage, wie  Selbständigkeit  verstanden werden kann und wie Verselbständigungsprozesse in den Erziehungshilfen organisiert und gestaltet werden können, beschäftigt sich der Beitrag von Nicole Rosenbauer. Dabei wird die These vertreten, dass sich Vorstellungen von klaren Abfolgen und allzu linearen Entwicklungsverläufen als Stolpersteine erweisen können, da sich die Entwicklung aus subjektiver Sicht häufig ganz anders darstellt und dies auch konzeptionell berücksichtigt und hieraus Ansatzpunkte für die Praxis entfaltet werden sollten.

Ein gelingender Übergang in Ausbildung und Arbeit stellt einen wichtigen Meilenstein im jungen Erwachsenenalter dar. Birgit Reissig und Tillmann Gehne fassen Ergebnisse aus mehreren Studien zu Exklusionsprozessen von jungen Menschen am Übergang Schule-Beruf zusammen, in denen die Gruppe der 14-27-jährigen Jugendlichen erforscht wurde, die keine Anbindung mehr an Bildungsinstitutionen haben, ohne reguläres Erwerbseinkommen und ohne Bezug von Transferleistungen sind. Die AutorInnen stellen vorzufindende Muster/Typen vor, die es für die Entwicklung sinnvoller Hilfen zu berücksichtigen gilt.

Der Übergang in eine eigene Wohnform ist ein weiterer Meilenstein im Verselbständigungsprozess junger Erwachsener. Susanne Alex und Sabine Henniger stellen aus ihrer Praxis einer Beratungsstelle für junge wohnungslose Erwachsene die Lebenssituation und Themen dieser Gruppe vor, die letztendlich von Wünschen nach einem ganz normalen Leben durchzogen sind. Sie erläutern, wie sie sich im Bermudadreieck zwischen den Sozialgesetzbüchern II, III, VIII und XII bewegen und zeigen die Schnittstellenarbeit auf, die Jugendhilfe zu leisten hat. Ihre Handlungsempfehlungen verweisen darauf, dass eine Disziplin und ein Rechtskreis alleine keine Antworten entwickeln können und dass es in der Wohnungsnotfallhilfe weiterer Konzepte bedarf, die der Lebenslage junger Menschen stärker Rechnung tragen, und Rechtskreise übergreifend angelegt sind.

Claudia Daigler, Nicole Rosenbauer

 

 

Aus dem Inhalt

Friedhelm Peters
Es ist an der Zeit, umzudenken…

Barbara Stauber
Junge Erwachsene – Zur Herstellung von Geschlecht und anderen Unterschieden in Übergängen von der Jugend zum Erwachsensein

Dirk Nüsken
Junge Volljährige in den Erziehungshilfen

Nicole Rosenbauer
Übergänge in ein selbständiges Leben

Birgit Reißig/ Frank Tillmann
DropOut und prekäre Übergänge – Exklusions- und Ausgrenzungsrisiken im Jugend- und jungen Erwachsenenalter

Sabine Henniger/ Susanne Alex
Junge Wohnungslose zwischen den Hilfesystemen – Erfahrungen aus einer Beratungsstelle

Friedhelm Peters
Politische Herausforderungen anlässlich der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in Bulgarien

Manfred Neuffer
Hamburger Jugendhilfe auf einem Irrweg

Norbert Struck
Konnexität konkret: Zum Urteil des StGH Hessen vom 06. Juni 2012

Themen
Erscheinungsjahr
2013
Ausgabe
1
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2013