Ressource Eltern

ForE 5-2003

Die Politik hat die Familie und die Eltern wieder mal entdeckt. Elterliche Erziehungskompetenzen sollen gestärkt werden, Kampagnen zur Erziehungsverantwortung werden gestartet (z.B. zum Umgang mit Medien gemeinsam mit HÖRZU und ARD). Gleichzeitig entsteht der Eindruck, die „Ressource Eltern“ soll gefördert und erschlossen werden, um - manchmal verdeckt, manchmal unverhohlen - wohlfahrtsstaatliche Unterstützungssysteme zurückzunehmen. Die Familie wird es schon richten, auch wenn Arbeitslosigkeit, soziale Verunsicherung und demographische Veränderungen ihre Spuren hinterlassen.

Wenig im öffentlichen– und manchmal auch im fachlichen – Blick sind Eltern, die aufgrund ihrer gebrochenen Biografie, der fehlenden stützenden Rahmenbedingungen und ungelöster eigener Probleme für ihre Kinder zeitweilig oder dauerhaft die Verantwortung nicht übernehmen können. Die Hilfen zur Erziehung haben mit diesen Eltern und solchen Familienkonstellationen zu tun. Die Fähigkeit der Eltern die belastenden Faktoren aus eigener Kraft bewältigen zu können, scheint dann vielfach beeinträchtigt zu sein. Das führt nicht selten zu Selbstvorwürfen, Versagensängsten und Abwehr bei Eltern im Rahmen der Hilfen zur Erziehung. Und umgekehrt fühlen sich nicht wenige der professionellen Helfer/innen schnell als „bessere Eltern“ und verstärken damit die erzieherische Hilflosigkeit. Tatsächlich, die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Eltern sind nicht die gleichen, sie stehen manchmal in einem krassen Spannungsfeld. Eltern und Heranwachsende können füreinander Quellen von Belastung sein – aber auch Ressource. Hilfen zur Erziehung sondieren häufig Handlungsmöglichkeiten in der Relation von Problemen/ Belastungen und vorhandenen (oder verdeckten) Ressourcen. Nur mit und nie gegen die Familien kann Stärkung von Lebenskompetenzen funktionieren.

Das vorliegende Heft setzt sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit professionellen Möglichkeiten auseinander, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu fördern und als Partner/innen in den Hilfen zur Erziehung zu sehen.

Klaus Wolf zeigt vor dem Hintergrund von Forschungen zur Sozialpädagogischen Familienhilfe und der Ausbildung von sozialpädagogischen Fachkräften, wie sensibel mit Begründungen und Legitimationen für die Intervention in Familien umgegangen werden muss. Er plädiert dafür, die Not bzw. das Lebensglück aller Familienangehörigen im Blick zu behalten.

Vor dem Hintergrund ihrer Elternarbeit im Rahmen eines Projektes zur milieunahen Erziehungshilfe schreibt Ditte Nowak einen fiktiven Brief, in dem sie die Schwierigkeiten und den Sinn des Versuchs, Eltern als Ressource in die erzieherische Hilfen einzubinden, reflektiert. Sie schärft den Blick für eine permanente Übersetzungsarbeit durch die Fachkräfte zwischen Eltern und Kindern.

Maren Zeller zeigt anhand von zwei Fallbeispielen, dass Eltern auch im Falle der stationären Fremdunterbringung ihrer Kinder über die Belange ihrer Kinder gut Bescheid wissen können, Anteil nehmen an ihrem Leben und sich weiter für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich fühlen können.

Ebenfalls anhand eines Fallbeispiels berichtet Thomas Marthaler über die Entwicklung eines sozialpädagogischen Diagnoseverfahrens mit und für Familien, das später im Hilfeplangespräch helfen soll, elementare Problemlagen, Konfliktlinien und ‚Ressourcen’ aus fachlicher Sicht einzubringen und zur Diskussion zu stellen.

Der ökonomisch-fiskalisch anmutende Begriff ‚Ressource’ kann manchmal auch einfach mit ‚Hilfsquelle’ übersetzt werden. Professionelle sozialpädagogische Erschließung und Wahrnehmung von eigenen Hilfequellen der Eltern im Rahmen der Hilfen zur Erziehung braucht Ressourcen bei den Fachkräften und Einrichtungen. Dies ist nicht zum Nulltarif zu haben, sondern bedingt eine professionelle Ausbildung, Schulung der Fachkräfte und benötigt die Ressource ‚Zeit’.

Josef Koch

 

 

Aus dem Inhalt

Ulrich Schneider:
Es geht um die Leitlinien der Gesellschaft!

Klaus Wolf:
Familien als Adressaten sozialpädagogischer Interventionen

Ditte Nowak:
Elternarbeit als „Übersetzungsleistung“

Maren Zeller:
Wie Eltern eine „WG um die Ecke“ erleben

Thomas Marthaler:
Sozialpädagogische Diagnosen in Familien

Birutë Švedaitë:
Sozialarbeitsausbildung in Litauen

Katharina Witzke:
Kinder- und Jugendhilfe - Eine Chance für „Schreibabys“?