Erziehungsbedingungen und soziale Ungleichheit

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Es sind die Eltern, die das Recht haben und vorrangig in der Pflicht sind, ihr Kind zu erziehen (Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz). Sie haben für eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung Sorge zu tragen. Wie Kinder und Jugendliche aufwachsen, zu welchen Ressourcen sie (keinen) Zugang haben, ist in unserer Gesellschaft nach wie vor stark durch die sozioökonomischen Verhältnisse ihrer Familien bzw. Eltern geprägt. Ein Mangel an sozioökonomischen Ressourcen geht in der Regel mit Benachteiligungen in den verschiedensten Lebensbereichen einher (wie Wohnen, Gesundheit, Bildung und Freizeit) und beeinflusst damit auch die Erziehungsbedingungen von Familien. Die Statistik zeigt, dass 55 % der Familien, die erzieherische Hilfen in Anspruch nehmen, Transferleistungen beziehen. Bei Heimerziehung und sonstigen betreuten Wohnformen nach § 34 SGB VIII liegt der Anteil mit 72 % noch höher (vgl. Kostka i. d. H.). Von sozialer Ungleichheit geprägte Erziehungsbedingungen bilden so häufig den Hintergrund der erzieherischen Hilfen und rücken bei stationärer Unterbringung in einen besonderen Fokus: Ist eine relativ zeitnahe und nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie nicht erreichbar, soll eine alternative, auf Dauer angelegte Perspektive erarbeitet werden. Jugendhilfe hat den Auftrag, Eltern zu beraten und darin zu unterstützen, die Erziehungsbedingungen zu verbessern. Soziale Ungleichheitsverhältnisse werden jedoch zumindest von Elternarbeit in stationären Hilfen – sofern sie überhaupt stattfindet – selten in den Blick genommen. 

Der Themenschwerpunkt will soziale Ungleichheit und ihre Auswirkungen auf Erziehungsbedingungen sichtbar machen und mit der Verbesserung der Bedingungen verbundene Herausforderungen für Eltern und Jugendhilfe aufzeigen. Deutlich wird in den Beiträgen, dass Jugendhilfe neben individueller Unterstützungsleistung aufgefordert ist, ihr sozialpolitisches Mandat wahrzunehmen, einen Beitrag zu leisten, wie Armut und soziale Ungleichheit im Interesse der Entwicklung junger Menschen überwunden werden können.

Sabine Andresen verdeutlicht, wie sich bestehende Ungleichheitsverhältnisse in  Erziehungsverhältnissen niederschlagen können und beschreibt dabei vor allem, wie Armutsfolgen von Kindern und Jugendlichen erlebt und bewältigt werden (müssen). 

Kerima Kostka legt dar, dass Eltern bzw. Familien in stationären Erziehungshilfen überproportional von prekären Lebenslagen betroffen sind. Sie zeigt auf, dass es dabei im Wesentlichen um Mütter geht, deren Lebenssituation nicht nur geprägt ist von Armut und Alleinerziehen, sondern häufig auch von Partnerschaftsgewalt. 

Hannelore Häbel thematisiert die im SGB VIII (bezogen auf Hilfen außerhalb der Familie) vorgenommene Verknüpfung von Rückkehroption und Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie und diskutiert die Frage, ob und wie Eltern – in prekären Lebenssituationen - die rechtlichen Maßstäbe zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen erfüllen können.

Marion Moos fokussiert verschiedene Dimensionen und Rahmenbedingungen, die notwendig sind, damit Eltern tatsächlich Unterstützung in (bei?) der Verbesserung der Erziehungsbedingungen erfahren könnten. Sie zeigt auf, dass ein enger Fokus auf die Erziehungskompetenzen nicht ausreichend ist, sondern es fach- und sozialpolitischer Anstrengungen bedarf, um Lebensbedingungen so zu verändern, dass sie sich positiv auf Erziehungsverhältnisse auswirken. 

Michaela Berghaus befasst sich mit den divergierenden Vorstellungen von Eltern und  Fachkräften über gute Erziehung. Sie lässt Eltern zu Wort kommen, die schildern, wie sie, insbesondere bei Einschätzung des Risikos einer Kindeswohlgefährdung, die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung und die Aushandlungsprozesse um die Deutungsmacht gelingender Erziehung erleben.

Diana Düring geht der Frage nach, wieso sich bisher keine Selbstvertretungen von Eltern bzw. Müttern und /oder Vätern etabliert haben, deren Kinder bspw. in Wohngruppen oder Pflegefamilien leben. Dabei geht sie auf den Zusammenhang von Ungleichheitserfahrungen und (sozialer) Scham/ Beschämung ein. 

Diana Düring, Hannelore Häbel

Themen
Preis
€12.00
Seiten
64
Erscheinungsjahr
2024
Ausgabe
1
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2024