„Heimerziehung“ als Ort der Ermöglichung von diskriminierungsfreier Teilhabe junger Menschen am sozialen und institutionellen Leben des Aufwachsens gestalten!

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Heimerziehung Teilhabe

Soziale Ungleichheit von jungen Menschen und ihren Eltern bekämpfen

 

Die „Heimerziehung“ ist auf mehreren Ebenen mit der sozialen Ungleichheit unserer Gesellschaft konfrontiert. So zeigt die Kinder- und Jugendhilfestatistik, dass junge Menschen, die durch die „Heimerziehung“ begleitet werden, sehr häufig in prekären Lebenslagen oder Armutskonstellationen aufwachsen (vgl. Tabel 2020). „Junge Menschen in der Heimerziehung kommen zu einem großen Anteil aus Familien mit besonders belasteten Lebenslagen. Empirisch lässt sich ein relativ hoher Anteil an Kindern aus Einelternfamilien nachweisen. Zudem sind Herkunftsfamilien in fast der Hälfte der Fälle auf Transfergeldzahlungen angewiesen.“ (Knuth 2020: 26). Entsprechend ist die „Heimerziehung“ eng mit der Herausforderung verknüpft, Kinder- und Jugendarmut zu bekämpfen und die soziale Ungleichheit in den Lebenslagen von Kindheit und Jugend sowie der Familie zu bearbeiten. Sie muss sich selbst immer wieder fragen, inwieweit sie ihrem sozialpolitischen Einmischungsauftrag (vgl. Peters 2002) gerecht wird.

Darüber hinaus muss sie sich auch fragen lassen, wie sie selbst prekäre Lebens- und Armutslagen reproduziert und wie sie ihrem Auftrag aus § 1 SGB VIII gerecht wird, soziale Benachteiligungen auszugleichen und gleichberechtigte Teilhabe, z. B. auch von jungen Menschen mit Behinderungen, realisieren kann. Soziale Benachteiligungen und Ungleichheiten sind somit immer auch eine fachliche und konzeptionelle Herausforderung der „Heimerziehung“. Sie kann hinsichtlich ihrer sozialpolitischen Positionierung nicht nur kompensatorisch ausgerichtet sein, sondern hat den Auftrag, soziale Benachteiligungen der jungen Menschen in der sozialen Teilhabe abzubauen und sich „insbesondere an den Interessen“ von Kindern und „Jugendlichen auszurichten und parteilich deren Position zu stärken“ (Peters 1991: 6). Schließlich muss sich die „Heimerziehung“ ebenfalls damit auseinandersetzen, wie und ob sie selbst soziale Benachteiligungen – z. B. durch Stigmatisierungen der jungen Menschen und ihrer Eltern – oder auch Ausgrenzungsprozesse und die Reproduktion von gesellschaftlichen Hierarchien herstellt oder reproduziert, wie dies jüngst am Beispiel junger wohnungsloser Careleaver*innen oder am Beispiel der fehlenden Anerkennung der Eltern gezeigt wurde (vgl. Sievers 2019; vgl. Knuth 2020).

So wurde in der Geschichte der „Heimerziehung“ beispielsweise erst sehr spät die Reproduktion geschlechterhierarchischer Arbeitsteilung und sexueller Diskriminierungen in den Kategorisierungen und Zuschreibungen problematisiert. Darüber hinaus hat sich die „Heimerziehung“ in Deutschland ebenfalls erst in den vergangenen 30 Jahren „interkulturell“ geöffnet und setzt sich erst in jüngster Zeit mit antirassistischen Konzepten auseinander. Schließlich beobachten wir erst heute eine inklusive Öffnung der „Heimerziehung“, sodass auch die „Heimerziehung“ daran mitarbeitet, Barrieren für die jungen Menschen abzubauen, die von einer Behinderung betroffen sind (vgl. auch die Initiative „Inklusion jetzt!“ des Evangelischen Erziehungsverbands e.V. [ EREV ] und des Bundesverbands katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen e. V. [ BVkE ]). Insgesamt ist die „Heimerziehung“ somit darauf angewiesen, sich in Zukunft intensiver als zuvor sozialpolitisch zu verorten, um ihrem Auftrag, soziale Benachteiligungen abzubauen, gerecht zu werden und den jungen Menschen sowie ihren Eltern eine diskriminierungsfreie soziale Teilhabe zu ermöglichen.

 

Auszug aus dem Abschlusspapier

 

Erklärfilm: „Heimerziehung“ als Ort der Ermöglichung von diskriminierungsfreier Teilhabe

Materialien aus der Transfertagung | Zukunftsimpulse

Im Rahmen der Transfertagung des Zukunftsforum Heimerziehung wurde das Thema in einem Diskussionsforum intensiv diskutiert. Die Ergebnisse der Diskussion mündeten in die drei Zukunftsimpulse

  1. Um eine bessere Teilhabe zu ermöglichen und Diskriminierung abzubauen ist es dringend geboten, für den Rechtsbegriff der „Heimerziehung“ einen neuen Begriff zu finden. Fachkräfte, Kinder und Jugendliche in den Hilfen zur Erziehung und insbesondere Careleaver sind in diesen Prozess einzubeziehen.
  2. Die Kooperation der Systeme „Schule“ und „Kinder- und Jugendhilfe“ müssen weiter nachhaltig verbessert werden. Maßnahmen auf kommunaler Ebene sollten unterstützt, gemeinsame Projekte intensiv gefördert werden.
  3. Die Gestaltung der Übergange von Schule / Ausbildung / Studium sind Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, die in dieser Lebensphase der jungen Menschen zuständig bleiben muss. Valide Daten über die Bildungsverläufe von Kindern / Jugendlichen in den (stationären) Erziehungshilfen sind zukünftig zu erheben und auszuwerten.

 

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