Gesundheitsförderung - neue Herausforderungen für die Jugendhilfe
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Zum Online-ShopGesundheit ist seit langem ein Thema in der Sozialen Arbeit. Viele sozialpädagogische Tätigkeitsfelder weisen einen direkten oder indirekten Bezug zur Gesundheit auf (z.B. Sucht, Behinderung, psychosoziale Versorgung etc.). Auch die Kinder- und Jugendhilfe hat zum Ziel, Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu erhalten, zu fördern und herzustellen, auch wenn sie meist eher implizit und nicht eindeutig in der Kinder- und Jugendhilfe-gesetzgebung und in Leistungsbeschreibungen benannt werden.
Der 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung war der erste Bericht, der ausdrücklich für eine stärkere Verankerung von Gesundheitsförderung in der Jugendhilfe plädierte. Nicht nur der neuerliche Verweis auf eine präventiv aus gerichtete Programmatik von Jugendhilfe, sondern auch durch die Tatsache zunehmender Prekarisierung von Kindheit und Familie, die durch den Anstieg von Kinderarmut, Komplexitätszuwachse durch soziale Differenzierung und die Wirkung sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gekennzeichnet sind, ist es nur konsequent, dass sich der 13. Kinder- und Jugendbericht im Jahr 2009 mit diesem Thema näher befasst hat.
Einleitend stellt der Vorsitzende der Sachverständigenkommission, HeinerKeupp, die zentralen Themenschwerpunkte des Jugendberichts heraus undbeschreibt die paradigmatische Wende des Gesundheitsverständnisses, dieseit der 1986 verabschieden Charta der WHO mit dem Begriff der Gesundheitsförderung verbunden ist. Die daraus resultierende Verabschiedung eines dichotomen Verständnisses von Krankheit und Gesundheit ist verbunden mit einer salutogenetischen Sichtweise. Diese fragt im Unterschied zu Erklärungen der Krankheitsentstehung (Pathogenese) danach, wie es Menschen gelingt, gesund zu leben. Keupp ordnet anschließend die programmatische Diskussion aktuell und kritisch auch sozialpolitisch ein.
Im Anschluss an diesen Grundlagenbeitrag greift Hanna Permien die Ausführungen von Keupp auf und beschäftigt sich mit der Frage der Relevanz von Gesundheitsförderung für die Jugendhilfe und speziell für die Erziehungshilfen. Bekannte Maßnahmen der Gesundheitsförderung im Bereich der Jugendhilfe zeigen sich häufig auf pädagogische Unterstützung beschränkt. Gerade die Erziehungshilfen bieten in ihrer Angebotsvielfalt, so Permien, einen geeigneten Rahmen, Partizipation, die Beachtung biographischer Bezüge und die Sensibilität für benachteiligte Kinder und Jugendliche in gesundheitspädagogischen Ansätzen zu berücksichtigen.
Ulf Sauerbrey und Christine Freytag schliessen im vorliegenden Heft mit einer kritischen Annäherung an die Trenddiagnose ADHS im Kindes- und Jugendlichenalter an. Die Dominanz der medizinischen Beurteilungspraxis lasse oftmals nicht genügend Raum für eine differenzierte Betrachtung der Entstehungs- und Bewertungszusammenhänge von kindlichen Verhaltensweisen, die als „abweichendes Verhalten“ wahrgenommen würden und mit Interventionen verbunden sind, die häufig fragwürdig und unangemessen erschienen. Sauerbrey und Freytag warnen vor diesem Hintergrund vor einer vorschnellen „Psychiatrisierung“ der Betroffenen.
Unreflektierte Projektionen und Diagnosen finden sich auch im Bild einer„überfressenen“ deprivierten Generation von Kindern und Jugendlichen. Lotte Rose beschäftigt sich mit der Frage, warum pädagogische Methoden zur Beeinflussung von Ernährungs- und Bewegungsverhalten eine große Attraktivität besitzen und welche Gefahren mit der unkritischen Übernahme solcher Programme verbunden sein können, die letztlich die Rückkehr ineine normative Pädagogik bedeuten können.
Es ist ein Anliegen der Redaktion, auf der einen Seite Informationen zu dem neuem Kinder- und Jugendbericht in diesem Heft zur Verfügung zustellen, der sich erstmalig auch mit dem Thema von gesundheitlicher Ungleichheit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt. Auf der anderen Seite wird mit diesem Themenheft der Versuch unternommen, aber auch den Blick für eine kritische Betrachtung zu den Folgen und Hintergründen eines impliziten „Gesundheitsimperativs“ zu schärfen, der bei der Rezeption der aktuellen Präventionspolitik (hinsichtlich Prävention und Gesundheitsförderung) häufig eine untergeordnete Rolle spielt.
Gregor Hensen, Josef Koch
Aus dem Inhalt
Michael Winkler:
UMF – Ungewissheit, Marginalisierung, fehlende Fakten?
Heiner Keupp:
Chancengerechtigkeit für ein gesundes Aufwachsen: Die Basisphilosophie des 13. Kinder- und Jugendberichtes
Hanna Permien:
Gesundheitsförderung und Prävention – neue Themen in den Hilfen zur Erziehung?
Ulf Sauerbrey, Christine Freytag:
Diagnose ADHS – Hinweise zum vorsichtigen Umgang mit einer Trenddiagnose
Lotte Rose:
Punktsiege beim Frühstück. Zur Rückkehr und Faszination normativer Pädagogik in der Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche
Merle Allsopp:
Kinder groß ziehen im globalen Dorf: Lektionen aus Südafrika (Teil II)
Irmgard Köster-Goorkotte, Norbert Kohlmann:
„Eltern sein ein Leben lang“ - Mütter und Väter melden sich zu Wort
Richard M.L.Müller-Schlotmann, Christiane Lotto:
Pflegeeltern mit Migrationshintergrund – ein Thema in der Jugendhilfe?
Jörg Maywald:
Kinderrechte gehören in die Verfassung. Plädoyer für die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz