Vom Pflegesatz zum Entgelt
"War es die Anpassung an das allseits beschworene Sparen oder die Aufarbeitung eines lange verdrängten Themas, daß Pädagogen und Verwaltungsfachleute zusammen kamen, um über Pflegesätze in Heimen miteinander zu sprechen?" So lautete die Eingangsfrage im Vorwort der IGfHPublikation "Was kostet ein Kind?", die die gleichnamige
IGfH
-Jahrestagung 1981 in Kassel dokumentierte. Wie die Zeiten sich dennoch ändern: Damals war mit der Thematisierung des Geldes ein trotzig selbstbewußter Schritt der sich professionalisierenden Sozialpädagogik verbunden, der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, welche finanziellen Rahmenbedingungen eine moderne Heimerziehung brauche, und daß sich ihr Aufwand im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Kosten durchaus messen könne. So helfe es zu wissen, "daß ein Hafttag für jeden Gefangenen etwa 80 DM kostet, ( ... ) der Tagessatz für die Pflege im Krankenhaus bei 200 DM liegt, jeder Opernplatz in Kassel mit etwa 80 DM subventioniert wird und daß ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank mit täglich über 2.000 DM vergütet wird" (Bonhoeffer/Widemann in der genannten Publikation). Man wollte mit diesem offensiven Aufgreifen des Monetären - ob die Nennung der Tagessätze eines Bankdirektors angesichts der Saläre von Profifußballern und Formel
-Rennfahrern heutzutage provozieren könnte, darf allerdings bezweifelt werden - auch heraustreten aus der traditionellen Rolle pädagogischer Beziehungsarbeiterinnen als Almosenempfänger, die sich nicht trauen, über Geld für ihre Arbeit zu reden, um nicht in den Verdacht zu geraten, in eigener Sache zu handeln. (Vor diesem "Problem" stehen heute noch viele Pflegefamilien, wenn der Urlaubszuschuß für das Pflegekind nicht beantragt wird, weil man moralische Skrupel hat, als Abzocker dazustehen.)
Heute hat die Mehrheit der Einrichtungen die Dienstleistungsorientierung verinnerlicht und ver- langt für einen Hilfe-Auftrag selbstverständlich einen die Kosten deckenden Preis. Heute wird das Thema Geld auch nicht von den Pädagoglnnen, sondern von den Kommunen aufgebracht mit den Zielen einer Begrenzung der Ausgaben für Fremdplazierung und einer größeren Transparenz von Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote der Jugendhilfe. Beide Ziele sind verständlich.
Es wird angesichts der ab 1.1.1999 greifenden neuen gesetzlichen Rahrnenvereinbarungen, über die in diesem Heft breit informiert wird, in den nächsten Monaten darum gehen, zu fairen und für die pädagogische Aufgabe produktiven Entgeltvereinbarungen zu gelangen. Die wesentlichen Kriterien hierfür kann man dann wieder in der alten IGfH-Debatte finden, wo Anne Frommann schrieb: "Kinder brauchen Treuhänder".
Zu den Beiträgen:
Norbert Struck rekapituliert in einem Überblicksartikel die bisherigen Pflegesatzsysteme, zeichnet die Diskussionen um eine Änderung des § 77 KJHG nach und gibt einen Ausblick auf die bevorstehenden Neuregelungen. Im Anschluß wird der entsprechende Gesetzesentwurf zur Änderung des KJHG, hier insbesondere die Einfügung eines Abschnittes "Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätssicherung" abgedruckt.
Ebenfalls dokumentiert werden die ,,PARITÄTISCHEN Positionen zu Entgeltregelungen in der Jugendhilfe", die aus der Sicht eines freien Trägers notwendige Eckpunkte für Entgeltregelungen benennt.
Katrin Schröter berichtet von den Ergebnissen einer schriftlichen Umfrage der IGfH über die praktischen Konsequenzen der Pflegesatzdekkelung gern.§ 77.SGB Vill n.F.
In einem Interview mit Rainer Kröger wird über die neue niedersächsische Rahmenvereinbarung über Entgelte informiert, bei der es sich um eine wesentliche Veränderung des Finanzierungssystems handelt, die im Grunde die mit der Novelle des § 77 ab 1.1.1999 geplanten Neuerungen vorwegnimmt.
Wolfgang Trede