Grenzziehungen der EU und Auswirkungen auf junge Geflüchtete
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Zum Online-ShopMit dieser Ausgabe und diesem Thema bewegen wir uns auf den ersten Blick ein wenig abseits der jugendhilfe-fachpolitischen Pfade, indem wir auf einer vergleichsweise allgemeinen Ebene zuvörderst die Auswirkungen der europäischen Grenzregime auf die (jungen) Geflüchteten und deren Situation während der Flucht thematisieren. Dies vor dem Hintergrund der Verschärfung des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ (GEAS) und der vorliegenden Erfahrungen mit den zunehmend befestigten und militärisch-technologisch aufgerüsteten Grenzen an der EU-Außengrenze, aber auch teilweise an Binnengrenzen. Diese Grenzen verschieben sich in gleich mehrfachen Hinsichten, indem sie sich „verflüssigen“ und vervielfältigen. Ist die 'alte Grenze' in ihrem Verlauf fest (und zeigt sich noch an festen Kontrollpunkten), ist die 'neue Grenze' in der Funktion der Ausübung territorialer Kontrolle und Selektion der Mobilität selbst mobil. Sie entsteht überall dort, wo die Ausübung selektiver Kontrolle und die Abwehr von Migration und Mobilität 'gemanagt' werden soll.
Diese neuen Grenzen können in sehr unterschiedlichen räumlichen Beziehungen zum staatlichen Territorium stehen und als exterritoriale darüber hinausgreifen (Asyl- und Grenzverfahren in Drittstaaten). Entscheidend ist, dass die de- und relokalisierte Grenze Kontrolle hochgradig selektiv ausübt; sie richtet sich nur auf jene Gruppen, die zu Adressat*innen rigider Kontrollpraktiken werden und nicht auf alle mobilen Personen. Für diejenigen, die als Risiko oder nicht erwünschte Personen identifiziert werden, bilden die von Mauerbau bis virtuellen Grenzposten aufgerüsteten Grenzen oftmals eine Barriere, an der sich oder um die herum sich 'Lager' samt 'Lagerinfrastruktur' bilden, durch die oftmals die angekommenen Geflüchteten auch habituell geprägt sind.
Mit dem Thema Grenzregime der EU und Auswirkungen auf junge Geflüchtete sind wir allerdings auch an Grenzen gelangt – z.B. die des Formats von ForE, da doch komplexe Zusammenhänge sich nicht leicht in durchschnittlich 4-5seitigen Artikeln behandeln lassen, dass tatsächlich nicht so viele potentielle Autor*innen eine einschlägige Expertise besitzen und schließlich sind wir ob des Ausfalls von Mitarbeitenden an unsere personellen Grenzen gestossen.
Die ForE Redaktion hat schließlich doch Autor*innen gefunden, denen es – trotz anderer Belastungen - ein Anliegen ist, auf die Grenzziehungen der EU und Auswirkungen auf junge Geflüchtete aufmerksam zu machen:
Maximilian Pichl rekonstruiert zunächst, wie sich seit Anfang der 1990er Jahre schrittweise ein europäisches Asylsystem herausgebildet hat. Die politischen und rechtlichen Kämpfe um die sogenannte Dublin-Verordnung und ihre Auswirkungen auf die Rechte von Kindern und jungen Geflüchteten stehen im Zentrum der Analyse.
Franziska Grillmeier verbrachte als Journalistin in den vergangenen fünf Jahren viel Zeit an den Europäischen Außengrenzen, besonders auf der Insel Lesbos. Ihr Blick hilft zu verstehen, wovor humanitäre Organisationen und Menschenrechtsgruppen bei der Umsetzung der neuen GEAS-Reform warnen.
Sophia Eckert und Teresa Wilmes zeigen wie an den Außengrenzen der Europäischen Union seit Jahren täglich Menschen- und Kinderrechte verletzt werden. Ihr Quelle ist der aktuelle Bericht »Vor Mauern und hinter Gittern« von terre des hommes.
Nerea González Méndez de Vigo und Pauline Endres de Oliveira zeigen die rechtlichen Grenzen auf bezüglich der politischen Forderungen nach Standardabsenkungen bei der Unterbringung und Hilfegewährung an geflüchtete unbegleitete Minderjährige (umf) in Zeiten von Kapazitätsengpässen. Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass grundsätzliche Standardabsenkungen bei der Unterbringung von umf und daraus folgenden Einschränkungen der Hilfeleistungen, die im Wege von Ländererlassen durchgesetzt werden sollen, nicht mit geltendem Recht im Einklang stehen. Friedhelm Peters weist abschließend die Problematik einer zumeist moralisch oder werteorientierten Diskussion der Migrationsfrage hin und beleuchtet die (oben angesprochene) mit der Globalisierung zusammengehörige Re-Etablierung und Neuerfindung von Grenzen.
Lisa Albrecht, Friedhelm Peters
Aus dem Inhalt:
Maximilian Pichl: Zwischen Schutz und Abschottung – Zu den Kontinuitäten in der europäischen Asylpolitik
Franziska Grillmeier: Keine sichere Zone
Sophia Eckert, Teresa Wilmes: Zurückgeschoben und inhaftiert – Kinder und Jugendliche und das europäische Grenzregime
Nerea González Méndez de Vigo, Pauline Endres de Oliveira: Kinder- und Jugendhilfe in der Krise – Zur Frage der Rechtmäßigkeit pauschaler Standardabsenkung bei (vorläufiger) Inobhutnahme und Hilfegewährung für geflüchtete unbegleitete Minderjährige
Friedhelm Peters: It's economy, stupid !
Laurette Rasch: Selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung im Beteiligungsprozess „Gemeinsam zum Ziel – wir gestalten die inklusive Kinder- und Jugendhilfe“
Claire E. Duda, Leonie Gramatins, Alina Mette: „Du hast einfach zu wenig Berufserfahrung, um das zu verstehen“ – Kritische Reflexionen Studierender von rassistischer Sprache und Handeln in der Praxis Sozialer Arbeit
Corinna Petri, Miriam Düber: Inobhutnahmen aus Sicht junger Menschen und Eltern
Melanie Overbeck, Thomas Meysen, Christine Osterland, Wolfgang Schröer: Status „Careleaver*in“ sozialrechtlich absichern