Zusammenarbeit mit (Herkunfts-)Eltern in der Pflegekinderhilfe

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ForE 4-2015

In der Pflegekinderhilfe hat es in den letzten Jahren z.T. erhebliche Weiterentwicklungen gegeben, die jedoch nicht zu einer konsequenteren Zusammenarbeit oder dem regelhaften Einbezug von Herkunftsfamilien geführt haben. Wenn Kinder und Jugendliche in langfristig angelegten Pflegeverhältnissen leben, scheint sich die Zusammenarbeit mit ihren Eltern meist auf die Durchführung von Besuchskontakten zu beschränken. Eine intensive Begleitung und Unterstützung erhalten die Eltern hingegen selten, da sich die Jugendamtsmitarbeiter_innen häufig „nur“ um akute Gefährdungssituationen kümmern können ( ASD ) oder ihren Aufgabenbereich in erster Linie auf der Seite der Pflegefamilie verorten ( PKD ). Dabei darf nicht verkannt werden, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob dem Kind noch über die Herkunftsfamilie geholfen werden kann, aber es ist auch eine zentrale Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, Potenziale der Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern sorgsam zu prüfen und ihnen die notwendigen Hilfen (z.B. unterstützende ambulante Hilfen) zu gewähren, damit sie überhaupt in die Lage versetzt werden können, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden.

Zudem ergibt sich die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit Eltern zum einen aus den Rechten der Eltern und ihrer Rolle als Hilfeadressat_innen, aber auch aus der Anerkennung einer langfristig andauernden Integration der Herkunftsgeschichte von Kindern und Jugendlichen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, in deren eigene Biografie. Das vorliegende Heft versucht, vor dem Hintergrund einer defizitären Elternarbeit in Deutschland vor allem Möglichkeiten des Einbezuges von Eltern ‒ im Sinne einer auch hier Kontinuität sichernden Planung ‒ auszuloten. Dabei verkennen die Heftbetreuer_innen und die Redaktion nicht die Grenzen der Elternarbeit, die es natürlich auch in jedem Einzelfall zu prüfen gilt. Zugleich gilt es einschränkend auch darauf hinzuweisen, dass einige wichtige Themen hier unterrepräsentiert sind. Dazu gehören die bisher insgesamt geringen Wissensbestände zu migrationsspezifischen Besonderheiten bei der Zusammenarbeit mit Eltern, die unterschiedliche Präsenz von Müttern und Vätern in der Pflegekinderhilfe (Mutterbilder und abwesende Väter) sowie die Analyse von grundsätzlichen Benachteiligungsmerkmalen wie Armut.

Im nun vorliegenden Heft erinnert zu Beginn Reinhard Wiesner nochmal an die gestärkte Stellung der Eltern durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Der Autor macht deutlich, dass die dem Jugendamt zukommende Aufgabe der Begleitung des Pflegeverhältnisses in den verschiedenen Phasen eine qualitativ wie quantitative Verbesserung der Elternarbeit auch beinhalten muss. Josef Faltermeier wirbt daran anschließend in seinem Beitrag darum, Pflegefamilien und Herkunftsfamilien in einer Erziehungspartnerschaft zu sehen. Welche Themen Eltern beschäftigen, deren Kinder zeitlich befristet oder dauerhaft in einer Pflegefamilie aufwachsen, berichtet vor dem Hintergrund eines Forschungsprojektes dann Dirk Schäfer. Aus den Äußerungen der Eltern leitet der Autor Empfehlungen für die Weiterentwicklung in der Pflegekinderhilfe ab.

Die sich dann anschließenden Beiträge sind auf die praktische Umsetzung der Arbeit mit den leiblichen Eltern ausgerichtet. Alexandra Szylowicki berichtet vor dem Hintergrund einer mehr als 20-jährigen Tätigkeit eines freien Trägers in Hamburg von den Erfahrungen der Entwicklung und Erprobung konkreter konzeptioneller Ansätze und Methoden zur Kooperation mit leiblichen Eltern. Einblicke in die Besonderheiten der Zusammenarbeit mit Eltern im Rahmen der Verwandtenpflege geben abschließend Sabine Simon und Judith Pöckler-von Lingen. Die Autorinnen erläutern die Erfahrungen und das Vorgehen bei der Implementierung eines Beratungsangebotes in der Verwandtenpflege.

Die Beiträge des Heftes machen deutlich, Herkunftsfamilien bedürfen systematischer als bisher der Unterstützung durch das Jugendamt in der Vorbereitung eines Pflegeverhältnisses, bei der Bewältigung ihrer Situation als „Eltern ohne Kind“ nach der Inpflegegabe ihres Kindes und bei der Gestaltung des Umgangskontaktes.

Werner Freigang, Dirk Schäfer

 

 

Aus dem Inhalt

Friedhelm Peters: Wieviel bedeutet (uns) eigentlich die Menschenwürde?

Reinhard Wiesner: Rechtliche Vorgaben zur Zusammenarbeit mit den Eltern in der Pflegekinderhilfe

Josef Faltermeier: Herkunftsfamilien: Family-Partnership und Erziehungspartnerschaft – Ein  Paradigmenwechsel in der Fremdunterbringung

Dirk Schäfer: Perspektiven von Eltern, deren Kinder in Pflegefamilien leben

Alexandra Szylowicki: Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie – Eine verkannte Chance in der Pflegekinderhilfe

Sabine Simon, Judith Pöckler-von Lingen: Elternberatung in der Verwandtenpflege

Anna Schmid: Brasilien ‒ Kinder und Jugendliche als absolute Priorität

Manfred Kappeler: Schweigen – Verschweigen – Erzählen – Zuhören. Gedanken zur Abschlussfeier „Fantasiereisen“ der Schreibwerkstatt der Berliner Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder                                                                             

Petra Groesser, Henriette Katzenstein: Zum Leben von Flüchtlingsfamilien und ihren Kindern in

Tina Stremmer, Corinna Petri: Generationengespräch von Forum Start zur Zusammenarbeit mit Eltern in den Hilfen zur Erziehung

Norbert Struck: Der Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher“ vom 15.07.2015 – ein kurzer Überblick

Erscheinungsjahr
2015
Ausgabe
4
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2015