Training(s), Elterntraining(s)

aus: Kritisches Glossar Hilfen zur Erziehung. Düring, Diana et al. (Hrsg.) (2014)
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Training, [engl. Ausbildung, Übung], systematisches Üben zur körperlichen, geistigen, seelischen Leistungs-(Erfolgs-)steigerung bzw. Fehler-(Versagens-) minderung durch häufige, auch systematische Wiederholung“ (Häcker/Stapf 2009: 964)

Gegenwärtig existiert eine Vielzahl von Trainingsangeboten für nahezu jeden Lebensbereich: Neben köperbezogenen Kraft- oder Rückentrainings finden sich im Bereich von Arbeitsmarkt und Ausbildung Angebote zum Team-, Management-, Verkaufs-, Kommunikations-, Verhandlungs-, Prüfungs- oder Konflikttraining sowie bezüglich des Privatlebens zum Flirt-, Liebes-, Beziehungs- oder sogar Glückstraining. Auch in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern wird fleißig trainiert: So werden z. B. in der Familienbildung, der Schulsozialarbeit und den Hilfen zur Erziehung Trainings zum An- bzw. Abtrainieren von Sozialkompetenz, Streitschlichtungskompetenz, interkultureller Kompetenz, Eltern- bzw. Erziehungskompetenz sowie Aggressivität und Gewaltverhalten angeboten bzw. eingesetzt.

Zunächst kann diese weite Verbreitung von Trainingsangeboten als Hinweis auf eine Expertisierung jedweder Tätigkeit im Rahmen zunehmender funktionaler Differenzierung in modernen Gesellschaften verstanden werden. Offenbar ist es zu einer zwar denkbaren, aber unter Leistungsgesichtspunkten eben suboptimalen Option geworden, Tätigkeiten laienhaft auszuüben, ohne sich wenigstens durch die Teilnahme an von Experten entwickelten Übungsprogrammen systematisch vorzubereiten. Diese generelle Tendenz wird in Bezug auf sozialpädagogische Handlungsfelder dadurch verstärkt, dass Kinder und Jugendliche zusehends als ein „öffentliches Gut“ angesehen werden ( BMFSFJ 2013: 39). Möchte man dieses Gut optimal nutzen, so erscheint es riskant, die außerhalb von pädagogischen Einrichtungen stattfindende Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen einfach einer sich selbst regulierenden und reproduzierenden laienhaften Alltagspraxis zu überlassen. In der Folge werden nicht nur Eltern zum Ziel von Trainingsmaßnahmen (Elterntrainings), auch Kindern und Jugendlichen wird das gezielte Trainieren gesellschaftsrelevanter, normalerweise allerdings beiläufig im Alltag erworbener Fähigkeiten nahegelegt (Sozial-, Streitschlichtungs-, Interkulturelle- oder Anti-Gewalt- Trainings). Der in Trainings liegende Versuch, Alltagstätigkeiten mit Rückbezug auf Expertenwissen zu optimieren, läuft dabei allerdings immer Gefahr, die Fähigkeit und Möglichkeit ein selbsttätiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, durch „Expertenherrschaft“ (Illich 1979) insgesamt mehr zu unterminieren als zu fördern.

 

Wie kommt das Training in die Soziale Arbeit und was meint es hier?

So zutreffend diese Hinweise auch für das Stichwort Training sind, so bietet es jedoch noch keine Erklärung für das Vorherrschen gerade dieses Begriffes. Warum wird bezüglich der vielfältigen genannten Dinge nicht mehr nur beraten oder gebildet, sondern zusehends auch trainiert? Die Verwendung des Lehnworts Training verweist offensichtlich auf eine Polysemie, also darauf, dass sich ein neues Angebotsformat herausgebildet hat, welches mit den Begriffen Beratung oder Bildung sprachlich nicht angemessen erfasst scheint und für das aus deutschsprachiger Sicht das englische Training ein geeigneter Begriff scheint. Im Englischen ist „Training“ als Bezeichnung für jedwede Art der systematischen Unterweisung, Unterrichtung und Übung im Hinblick auf die Entfaltung von Fähigkeiten bzw. die Formierung des Charakters seit dem 14. Jahrhundert etabliert; bezeichnet also gerade nicht ein spezifisches Angebotsformat (Simpson/Weiner 1989: 372). Innerhalb des deutschen Sprachraums sind zwei andere Verwendungsweisen feststellbar: Erstens wurde der Trainingsbegriff alltagssprachlich im Rahmen sportlicher Aktivitäten verwendet und meint hier die Optimierung klar abgrenzbarer und repetitiv üb- und erlernbarer körperlicher oder manueller Fähigkeiten. Zweitens hat der Begriff als Fachbegriff seit Längerem einen Platz in der pädagogischen Psychologie bzw. der Lernpsychologie. Hier bezeichnet er ein „ausgearbeitetes, eigenständiges Programm (…), das auf spezifische Übungen und Übungsformen von spezifischer Anordnung und Dauer beschränkt ist (…) und zumeist keinen Wissenserwerb umfasst“ (Arnold/Lindner-Müller 2006: 799).

Schaut man auf die in der Sozialen Arbeit gängigen Trainings, so zeigen sich ähnliche Merkmale wie die zuletzt genannten: Trainings sind in Kurseinheiten vorstrukturierte, oft bis in die didaktischen Materialien hinein ausgearbeitete und somit weitreichend standardisierte Programme, die auf das Einüben wünschenswerter sowie die Minderung schlechter Verhaltensweisen abzielen. Ihnen liegt die behavioristische Vorstellung zugrunde, Lernen vornehmlich als äußerlich erkennbare Verhaltensmodifikation zu begreifen. Lern- und Bildungserfahrungen im Sinne „innerer“ Veränderung von Personen (z. B. ihrer Überzeugungen und Sichtweisen) werden überwiegend ausgeblendet. Ebenso wenig sind alltagsweltliche Kontexte, personale oder biographische Besonderheiten der lernenden Subjekte für das Lernen relevant. Im Rahmen Sozialer Arbeit ist dieses Absehen von der Person ebenso erklärungsbedürftig wie die Tatsache, dass mit dem Trainieren (als standardisierte Form des Übens) auf eine äußerst mechanische Lernform Bezug genommen wird. Diese ist zwar seit dem Mittelalter in Schulen verbreitet („Wiedertönen“ im Klassenverband, Auswendiglernen und Abfragen von Texten und Begriffen), wurde allerdings didaktisch dem verstehensorientierten Lernen immer nachgeordnet. Im Rahmen moderner Didaktik ist sie vielfach kritisiert worden und wird heutzutage im schulischen Unterricht nur noch als Einzelaspekt im Rahmen komplexerer Arrangements als sinnvoll erachtet (Arnold/Lindner-Müller 2006: 799). Folgt man den Erkenntnissen der pädagogischen Psychologie, so sind sinnvolle Gegenstände standardisierter Übungsprogramme vornehmlich wenig bis schwach verbundene Wissenselemente (z. B. Einmaleins, Vokabeln), seriell geordnete Wort- oder Handlungsfolgen (Gedicht aufsagen, Weitsprung), sodann die Anwendung schematisierter Aufgabenlösungen (schriftliche Addition, Konjugation) und erst zuletzt die Bearbeitung regelbasierter Problemlösungsaufgaben (Schachspiel, Erörterung verfassen) (vgl. ebd.). Gegenstände der Sozialpädagogik (wie Erziehung, Integration, Überwindung sozialer Probleme, Bildung oder Teilhabe) sind dabei als weitaus komplexer als regelbasierte Problemlösungsaufgaben zu begreifen: So liegen weder klar standardisierte Situationen vor, noch gibt es per se ein klares Regelsystem, das den Rahmen der Problemlösung absteckt. Daraus folgt, dass Gegenstände der Sozialpädagogik, wenn sie trainierbar gemacht werden sollen, zunächst in regelbasierte Problemlösungsaufgaben transformiert und also stark vereinfacht werden müssen (etwa indem man fünf goldene Regeln der Erziehung entwickelt, die kontextunabhängige Gültigkeit reklamieren). Das ist umso problematischer, je umfassender und komplexer der Anwendungsbereich des Trainings ist und bei Gegenstandskomplexen wie „Erziehung“ oder „Aggression“ ein äußerst herausforderndes Unterfangen.

Angesichts dieser Schwierigkeiten stellt sich die Frage, warum Trainings trotzdem attraktiv für die Soziale Arbeit sind, sowie wie die Folgen der Einführung trainingsorientierter Angebote im Generellen abgeschätzt werden können. Die Beantwortung beider Fragen muss etwas spekulativ angegangen werden, da über kriteriengeleitete Evaluationen sowie überzeugt-programmatische Darstellungen einzelner Trainingsangebote hinaus nur wenige Untersuchungen und Einordnungen zu bestimmten Trainingsbereichen vorliegen (z. B. Krasman 2000, Tschöpe-Scheffler 2005, 2003). Insgesamt fehlt es also an Wissen über die Folgen der Integration trainingsorientierter Angebote in das Spektrum sozialpädagogischer Dienstleistungen. Im Folgenden können daher nur erste Thesen über die Attraktivität von Trainingsangeboten sowie die Folgen einer Zuwendung zu solchen Angebotsformen entworfen werden und anhand von Beispielen aus dem Bereich der Elterntrainings illustriert werden.

 

Was macht Trainings für die Soziale Arbeit attraktiv?

Die Attraktivität von Trainingsprogrammen dürfte vornehmlich darin liegen, dass sie auf vielfältige Weise Eindeutigkeit herstellen und Unsicherheiten reduzieren:

  1. Trainings unterbreiten Fachkräften sowie Adressaten klare Deutungsangebote bezüglich a) der vorliegenden Probleme, b) der diese Probleme verursachenden Verhaltensweisen sowie c) angemessenen Verhaltensalternativen.
    Die einfache und klare Definition falschen sowie richtigen Verhaltens ist Voraussetzung für die Entwicklung von Trainings und steht bewusst einer weniger Orientierung bietenden, „ganzheitlichen“ Einzelfallorientierung gegenüber. Nebenbei wird mit dieser enormen Vereinfachung eine Homogenisierung der Orientierungen von Fachkräften sowie von Fachkräften und Adressaten sozialpädagogischer Angebote erreicht. Dies schafft in durch Kooperation zwischen verschiedenen Fachkräften und Adressaten geprägten Settings Handlungssicherheit und ermöglicht einheitliches Handeln.
  1. Trainingsprogramme bieten zudem eine einfache und klare, da standardisierte Antwort auf die Frage, was zu tun ist. Die Legitimität dieser Antwort wird dabei oft durch pauschale Versicherungen der Wirksamkeit des Programms abgesichert, die auf randomisierten Kontrollgruppenstudien und Kosten-Nutzen-Analysen basieren. Fachliches Handeln kann durch den Verweis auf die wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit relativ unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls legitimiert werden.
  2. Schließlich ist der Sinn von Trainingsmaßnahmen im Allgemeinen leicht zu legitimieren und schwer zu kritisieren. Dies liegt daran, dass Trainingsprogramme an sehr allgemeine Wertvorstellungen sowie Risiko- und Defizitdiagnosen anknüpfen und kostengünstige und effiziente Abhilfe versprechen: Trainings versprechen Verhaltensweisen, die gesellschaftlich klar unerwünscht sind, zu mindern (z. B. Gewalt) bzw. Verhaltensweisen, die klar erwünscht sind zu steigern (z. B. gute Erziehung). Was soll die Übung von Erziehungsverhalten, Sozialkompetenz oder das Abtrainieren von Aggressivität schon schaden, wenn sie mit so wenig Investition möglich ist?

Neben diesen komplexitätsreduzierenden Eigenschaften gelingt es Trainings weiterhin, auf eine interessante Art und Weise zugleich individuumszentriert und gleichgültig gegenüber dem Individuum in seinen Besonderheiten zu sein. „Jeder kann es lernen“ ist die attraktive Maxime der meisten Trainings, mit welcher der Einzelne einerseits zur Selbstoptimierung aufgerufen wird, welche andererseits aber gleichzeitig seine konkrete Individualität und seine individuelle Lebenslage (sowie mögliche Problemlagen und Belastungen) ignoriert. Insgesamt wird der Blick weg von (zugeschriebenen) Persönlichkeitseigenschaften und (belastenden) Lebenssituationen hin zu lernbaren Verhalten gelenkt. Das hat unverkennbar seine Potenziale und kann von Fachkräften wie von Adressaten als entlastend erlebt werden. In Zeiten erhöhter individueller Responsibilisierung ist die dabei erfolgende Verantwortungszuweisung an das Individuum bei gleichzeitiger Ausblendung aller gesellschaftlichen Ungleichheiten jedenfalls ebenso attraktiv wie problematisch. Das „coole“, sich souverän für die Widrigkeiten des Lebens fit machende und fit haltende klassenlos „moderne“ Subjekt stellt insgesamt die attraktive Zielfolie von Trainingsbemühungen dar.

 

Was folgt aus dem Trainieren in der Sozialen Arbeit?

Der hohe Standardisierungsgrad, die hohe gesellschaftliche Bedeutung der verfolgten Ziele sowie die geringen Investitionen, die erforderlich scheinen, um Wirkungen zu erreichen, machen Trainings zu einem attraktiven Instrument der Generalprävention. Trainings erscheinen als eine Art „Impfung“ gegen gesellschaftsrelevante Probleme und ihre Wirkung wäre analog am größten, wenn ganze Generationen bzw. Kohorten erreicht werden. Dementsprechend wird auch immer wieder eine verpflichtende Teilnahme an bestimmten Trainings gefordert. Dieser Impuls, ganze Kinder- und Elterngenerationen durch Trainings wirksam „bessern“ zu wollen, geht dabei aber meist mit einer Generalisierung defizitorientierter Deutungen einher: Denn das beste Argument für die Angemessenheit kollektiven Trainings ist schlussendlich ein kollektives Defizit.

Kritisch ist weiterhin auch die reduktionistische sowie zugleich individuumszentrierte wie am Individuum eigentlich desinteressierte Perspektive von Trainings zu sehen: So werden strukturelle Belastungen und prekäre Lebenslagen angesichts des Vorhabens, individuelle Kompetenz auf eine von den Besonderheiten des Einzelfalls abstrahierte Art und Weise zu trainieren, schlussendlich unsichtbar gemacht. Ebenso werden komplexe Geschehnisse wie „Erziehung“ auf wenige Elemente und Grundregeln reduziert. Auch die Zielperspektive von Trainings ist rein funktionalistisch orientiert und damit sehr reduziert. Diese radikalen Reduktionen stellen fraglos das besondere Potenzial von Trainings dar, wo eine solche Herangehensweise jedoch zu einer generellen Haltung von Fachkräften Sozialer Arbeit wird, wären deutliche Verluste von Fachlichkeit und Reflexivität zu beklagen. Trainings beinhalten unterkomplexe Modelle komplexer Geschehensweisen und sind erst mal mit einer einzelfallorientierten, verstehenden, lebensweltorientierten und zieloffenen Sozialen Arbeit kaum vereinbar. Sie können damit keinen Ersatz für vielfältige andere Beratungs- und Bildungsangebote innerhalb der Sozialen Arbeit darstellen.

 

Zum Beispiel Elterntrainings …

Blickt man auf einen konkreten Bereich, wie es hier am Beispiel von Elterntrainings erfolgen soll, so zeigt sich zunächst einmal eine unüberschaubare Vielfalt an unterschiedlichen Trainingsprogrammen (vgl. Uhlendorff/Euteneuer/Sabla 2013: 181 ff., Lösel/Runkel 2012, Tschöpe-Scheffler 2005). Diese entsprechen überwiegend den hier herausgearbeiteten Merkmalen von Trainings, wenden sich aber teilweise auch bewusst von standardisierten Programmen ab, um komplexe und offene Ansätze der Beratung zu realisieren (so z. B. das Programm „Eltern Stärken“). Nicht jedes, aber die meisten unter Elterntrainings gefassten Programme sind also Trainings im hier beschriebenen Sinne.

Unverkennbar ist weiterhin, dass Elterntrainings argumentativ eng verknüpft werden mit generalisierenden Defizitannahmen über Elternschaft und kindliches Wohlergehen: Begründungsmuster für die Notwendigkeit und Nützlichkeit von Elterntrainings liegen etwa in dem Verweis auf (durch „falsche“ Erziehung verursachte?) hohe Prävalenzraten kindlicher Verhaltensstörungen (Petermann/ Petermann/Franz 2010, Heinrichs/Nowak 2009) sowie auf familiär zu verantwortende Bildungsdefizite (Hurrelmann/Timm 2011). Damit wird paradoxerweise genau jener Bildungs- und Erziehungsdruck verstärkt, der – so das dritte populäre Argument für Elterntrainings – Eltern heutzutage überfordere: Denn es ist fraglich, ob Aussagen wie dass „nichts an einem verbindliche Elterntraining für Väter und Mütter vorbei führe“ (Hurrelmann/Timm 2011: 39), da wir uns „Eltern als ‚Laienpädagogen‘ (…) nicht länger“ (ebd.: 21) leisten können, tatsächlich als Wertschätzung und Anerkennung von Elternschaft verstanden werden und nicht als Ausdruck allgegenwärtiges Misstrauen und eines steigenden gesellschaftlichen und politischen Erwartungsdrucks auf Eltern.

Kaum untersucht ist bislang, was genau verschiedene Elterntrainings attraktiv für Professionelle in verschiedenen Kontexten macht, und wie dies professionelles Handeln verändert. Aussagen von Praktikern in einem Werbevideo des Triple P Elterntrainings (Triple P 2014), liefern exemplarisch Hinweise auf folgende relevante Aspekte:

  1. Das Wirksamkeitsversprechen spielt insbesondere im Kontakt mit Adressaten eine Autorität verleihende, legitimatorische Rolle. So sei es nützlich, „dass wir Eltern sagen können, das funktioniert, es ist evidanzbasiert“, insbesondere wenn Eltern „ein bisschen genauer nachfragen oder hinschauen und dann eben einfach auch wissen wollen, naja, erzählen Sie mir hier jetzt nur was oder ist es auch wirklich erwiesen, dass es hilfreich sein kann“ (ebd.).
  1. Es wird mit Kosten-Nutzen-Relationen argumentiert. So wird betont, dass Triple P „erschwinglich“ sei bzw. „der Aufwand (…) und das was hinterher rauskommt“ in einer guten Relation stehe.
  2. Zudem wird der Nutzen für alle Eltern (belastete wie unbelastete Familien) über unterschiedlichste Settings hinweg (Kindergarten bis Kinder- und Jugendpsychiatrie) betont. Trainings werden offenbar als „Allzweckwaffe“ und „Standardlösung“ gesehen, die einen von einer Auseinandersetzung mit dem Einzelfall entlasten.
  3. Schließlich wird aber auch deutlich, dass die hohe Standardisierung und die Klarheit des Konzeptes dazu führen, dass nicht nur Eltern, sondern auch Fachkräfte die in Elterntrainings transportierten Inhalte zur Maxime ihres Handelns machen. So wird auf die wiederkehrende Erfahrung verwiesen, dass (verschiedene) Fachkräfte sowie Eltern nun „letzten Endes die gleiche Sprache sprechen und letzten Endes alle wissen, was in welchen

Situationen nach dem Triple P Konzept zu tun ist“ (ebd.). Daraus ergebe sich die „traumhafte“ Situation, dass Kinder in sozialpädagogischen Einrichtungen wie zu Hause nach einheitlichen Erziehungsprinzipien erzogen würden. Insbesondere der letztere Aspekt deutet an, warum eine weitere Auseinandersetzung mit Trainingskonzepten in der Sozialen Arbeit relevant ist: Offenbar weisen Trainings (wie andere Praxiskonzepte auch) ein expansives Potenzial auf. Sie können von einer äußerst reduzierten Handlungsanleitung (z. B., wie zu erziehen ist) zu grundlegenden Konzepten Sozialer Arbeit werden. Zieht man in Betracht, dass sie ursprünglich für andere Zwecke entwickelt wurden (so ist Triple P als Handlungsanleitung für Eltern verhaltensauffälliger Kinder gedacht gewesen), so ist es jedenfalls einen zweiten Blick wert, was passiert, wenn solche Konzepte Grundlage von Eltern- und Erziehungsarbeit in sozialpädagogischen Einrichtungen werden. Ob eine solcherart vereinheitlichte und vereinfachte Erziehung tatsächlich bessere Erziehungs- und Bildungserfahrungen für alle Kinder und Jugendliche ermöglicht, ist zumindest fragwürdig. Dass sich gerade Eltern- und Erziehungstrainings nicht nur in der Familienbildung, sondern auch in Kindertagesstätten sowie den Hilfen zur Erziehung ausbreiten werden, ist im Kontext neuer Mischungsverhältnisse von öffentlicher und privater Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen allerdings wahrscheinlich: Ermöglichen die in Elterntrainings enthaltenen Erziehungsrichtlinien doch offenbar auf einfache Art und Weise die Herstellung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften, wie sie durch die veränderten Rahmenbedingungen des Aufwachsens in allen sozialpädagogischen Einrichtungen bedeutender werden (vgl. Stange et al. 2012). Um solche Partnerschaften angemessen gestalten zu können, bedarf es allerdings auch einer kritischen Sicht auf Haltungen, Handlungsstrategien und Rahmenbedingungen öffentlicher Institutionen (BMFSFJ 2013: 366). Elterntrainings sowie trainingsbasierte Programme im generellen laufen allerdings Gefahr, solche kritischen Reflexionen durch Eindeutigkeitsproduktion eher zu behindern als zu befördern.

 

Literatur

  • Arnold, K.-H./Lindner-Müller, C. (2006): Übung. In: Rost, D. (Hg.): Handwörterbuch pädagogische Psychologie. Beltz/Weinheim, S. 799.
  • BMFSFJ – Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin.
  • Häcker, H./Stapf, K. (2009): Psychologisches Wörterbuch. Bern, S. 964.
  • Heinrichs, N./Nowak, C. (2009): Elterntrainings. In: Lohaus, A./Domsch, H. (Hg.): Psychologische Förder- und Interventionsprogramme für das Kindes- und Jugendalter. Heidelberg, S. 293–304.
  • Hurrelmann, K./Timm, A. (2011): Kinder Bildung Zukunft. Drei Wege aus der Krise. Stuttgart.
  • Illich, I. (1979): Entmündigung durch Experten. Reinbek bei Hamburg.
  • Krasman, S. (2000): Gouvernementalität der Oberfläche. Aggressivität (ab-)trainieren beispielsweise. In: Bröckling, U./Krasman, S./Lemke, T.: Gouvernementalität der Gegenwart. Frankfurt a. M., S. 194–226.
  • Lösel, F./Runkel, D. (2012): Empirische Forschungsergebnisse im Bereich Elternbildung und Elterntraining. In: Stange, W./Krüger, R./Henschel, A./Schmitt, C. (Hg.): Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Grundlagen und Strukturen von Elternarbeit. Wiesbaden, S. 267–278.
  • Petermann, U./Petermann, F./Franz, M. (2010): Erziehungskompetenz und Elterntraining. In: Kindheit und Entwicklung, Jg. 9/Heft 2, S. 67–71.
  • Simpson, J./Weiner, E. (1989): The Oxford English Dictionary. Second Edition. Oxford, S. 372.
  • Stange, W./Krüger, R./Henschel, A./Schmitt, C. (Hg.) (2012): Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Grundlagen und Strukturen von Elternarbeit. Wiesbaden.
  • Triple P (2014): Promo-Video Triple P, Triple P-Erfahrungen in Deutschland. (http:// youtu.be/TE5uEFk1jDM verfügbar über: www.triplep.de, Zugriff am 24.04.2014).
  • Tschöpe-Scheffler, S. (2003): Elternkurse auf dem Prüfstand. Wie Erziehung wieder Freude macht. Opladen.
  • Tschöpe-Scheffler, S. (2005): Konzepte der Elternbildung – eine kritische Übersicht. Opladen.
  • Uhlendorff, U./Euteneuer, M./Sabla, K.-P. (2013): Soziale Arbeit mit Familien. München/Basel.