Jugendhilfe für (unbegleitete) minderjährige Flüchtlinge!

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ForE 5-2013

Wenn wir uns mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen befassen, dann geht es zum einen um eine unbekannte Zahl Jugendlicher, die auf zumeist extrem beschwerlichen Wegen aus Situationen in ihren Ländern geflohen sind, die ihrerseits oft extrem und gewaltförmig sind. Und es ist schon ein Skandal, dass trotz UN-Kinderrechtskonvention, trotz Rücknahme der Vorbehalte, trotz Klarstellungen im Kinder- und Jugendhilferecht  nicht einmal die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge genau bekannt ist. Die Innenbehörden beharren darauf, nicht wissen zu wollen, wie viele minderjährige Flüchtlinge von ihnen aufgegriffen werden! Im Behörden-Deutsch: „Angaben zu nach § 80 des Aufenthaltsgesetzes bzw. § 12 des Asylverfahrensgesetzes nicht Verfahrensfähigen können den folgenden Tabellen entnommen werden. Eine weitere Differenzierung nach Alter wird statistisch nicht erhoben“ (BT-Drucksache 17/11014 vom 17.10.2012).

Statistisch erfasst wird auch nicht, wie häufig welche Maßnahmen zur Altersfeststellung von wem vorgenommen werden, wenn die Behörde die Altersangabe junger Menschen bezweifelt. Genauso wenig wird erfasst, wie viele minderjährige Flüchtlinge inhaftiert werden.

Auch auf die Frage, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach der sogenannten Dublin-II-Verordnung an andere Mitgliedsstaaten der EU rücküberstellt wurden, lautet die Auskunft der Bundesregierung: „Hierzu werden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Statistiken geführt.“ Allerdings weiß die Bundesregierung, dass sie keinesfalls beabsichtigt, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge umfassend von der Überstellung in andere Dublin-Staaten auszunehmen.

Schwer vorstellbar, wie es bei einer vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls, zu der die UN-Kinderrechtskonvention den deutschen Staat verpflichtet, zu „Überstellungen“ kommen kann.

Manches, was so verborgen wird, wäre schon dann schwieriger zu praktizieren, wenn die Bundespolizei in ihrer Statistik endlich alle Maßnahmen gegen Kinder im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention erfassen würde, nämlich gegen unter 18-Jährige!

Es ist schon bemerkenswert, wie wenig da erfasst und gewusst wird in einem für die Kinderrechte so wichtigen Feld!

Mit diesem Heftschwerpunkt wollen wir ein Zwischenresümee ziehen:

Jugendliche ohne Grenzen beschreiben ihren Entstehungs- und Arbeitszusammenhang und einige ihrer zentralen Forderungen. Ihr Selbstverständnis als Expert_innen in eigener Sache und ihr Selbstvertretungsanspruch zeigen, ohne diese Jugendlichen kann heute nicht mehr über das Thema junge Flüchtlinge verhandelt werden. Unser Dank für die Kooperation gilt vor allem Nevroz Duman.

Eva Dittmann und Heinz Müller rahmen das Thema mit einem Fokus auf die pädagogischen Herausforderungen, die sich aus der spezifischen Situation minder-jähriger Flüchtlinge ergeben. Ihre Warnungen vor Engführungen sollten in den weiteren Diskussionen mehr Beachtung finden.

Harald Löhlein gibt einen ebenso gründlichen wie verständlichen Überblick über das national-, europa- und UN-rechtliche Gefilde, innerhalb dessen die Situation junger Flüchtlinge sich konfiguriert: Materien, die in steter Veränderung begriffen sind und nur äußerst zäh und unvollständig die Förderungs-, Schutz- und Beteiligungsrechte der UN-Kinderrechtskonvention zur Geltung bringen.

Mona Golla befasst sich mit dem Recht auf Bildung für junge Flüchtlinge, dessen Umsetzung beim gegebenen Flickenteppich kulturhoheitlicher Regelungen schwer zu verfolgen ist. Sie verdeutlicht praxisnah, in welchen Problemkonstellationen die Verwirklichung des Rechts auf Bildung sich bewegt, zeigt aber auch, dass es realisierbare Wege zum Besseren gibt, die abgesichert und verallgemeinert werden müssen.

Ergün Arslan und Dörte Lüers schließlich beschreiben aus der Praxis eines Freien Trägers, dem VSE, die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Mit den Jugendlichen ohne Grenzen fordern wir gleiches Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe für alle Flüchtlinge!

Norbert Struck

 

 

Aus dem Inhalt

Dirk Schäfer, Jenna Vietig
ADHS – eine nicht ansteckende Epidemie?!

Eva Dittmann, Heinz Müller
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Kinder- und Jugendhilfe.
Fachlich-konzeptionelle Anforderungen und Entwicklungsperspektiven

Harald Löhlein
Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Aufenthalts-
und Asylrecht steht noch immer aus!

Mona Golla
Das Recht auf Bildung für junge Flüchtlinge

Ergün Arslan,Dörte Lüers
Bedarfsorientierte Hilfen für (unbegleitete) minderjährige Flüchtlinge

Sylvia Beck, Monika Götzö
Übergänge und Aufwachsen von Pflegekindern. Einblicke in eine Schweizer Studie
zum Unterstützungspotential von Pflegefamilien

Lisa Kasper, Stephan Maykus
Hilfe zur Erziehung und der Ausbau von Ganztagsschulen.
Entwicklungsperspektiven zwischen exklusiver Leistungserbringung und der Integration
besonderer erzieherischer Förderung in schulische Regelkontexte

Bundesarbeitsgemeinschaft ASD /KSD
ASD: die bedrohte Berufsidentität der Fachkräfte und der Zustand der Organisation.
Ein Aufruf zur kritischen Debatte um Zukunftsperspektiven im ASD

Kerstin Feldhoff
Nicht miteinander verheiratete Eltern: Reform des Sorge- und Umgangsrechts